Drake (German Edition)
vorgab. Youthsaving, vermutete er. Oder kurz YS genannt. Eine Kombination von operativen Eingriffen und Medikamenten, um die Jugend so lange wie möglich zu erhalten. Außerdem stand die junge Dame vielleicht sogar zusätzlich unter Drogen. Auch das noch! Trotzdem musste er sich eingestehen, dass sie auf ihn sehr anziehend wirkte.
»Nein, alles in Ordnung«, antwortete er verlegen. »Ich habe mich nur gefragt, wann wir die ersten Auswirkungen der Flutwellen zu spüren bekommen.« Er sah ihr wieder direkt ins Gesicht. An dem leichten Hochziehen ihrer Oberlippe erkannte er, dass sie ihm kein Wort glaubte. Mehr noch, sie schien genau zu wissen, was er gedacht hatte.
»Wie Sie meinen. Könnten Sie bitte die Außenscheinwerfer der Arack aktivieren, ich würde mir gerne die Halle ansehen.«
Erstaunt darüber, dass sie überhaupt wusste, wie die Bezeichnung für das Amphibienfahrzeug lautete, aktivierte er augenblicklich die Scheinwerfer und drehte die Arack mit einem sanften Anrucken nach vorne zu dem großen Fenster hin.
Staunend blickte sie mit ihren kindlichen Augen aus dem Cockpitfenster.
»Das ist unglaublich schön«, flüsterte sie leise.
Sie schien es ehrlich zu meinen. Er war verwundert darüber, dass sie etwas Schönes an einer verfallenen riesigen Halle mit einem halbrunden großen Fenster fand. Die dunklen Zugänge der einzelnen Stockwerke wirkten zudem wie hohle Augen eines Totenschädels und erschienen nicht besonders einladend.
»Ja, es muss einmal ein wirklich eindrucksvoller Ort gewesen sein«, pflichtete er ihr bei. »Dort oben, im vorletzten Stockwerk führte anscheinend eine freitragende Konstruktion bis in den hinteren Teil der Halle. Wenn man genau hinsieht, kann man noch die Anschlüsse der Halterungen erkennen …«
Seine Ausführungen schienen für sie nicht sehr interessant zu sein. Mit einer schnellen Bewegung hatte sie die Kabinentür aufgerissen und war nach draußen gesprungen. Gleich darauf erschien sie in den Scheinwerferkegeln und rannte leichtfüßig nach vorne auf das große Fenster zu.
Er widerstand dem ersten Impuls, ihr zu folgen, und blieb in der Kabine zurück. Typisch für diese jungen Leute, dachte er beleidigt. Sobald man ihnen etwas beibringen möchte, flüchteten sie irgendwohin.
Mit einem letzten Blick durch die Windschutzscheibe vergewisserte er sich, dass Jenaveve in einem sicherem Abstand vor der Fensteröffnung stehen geblieben war und sich dort anscheinend in Gedanken verloren auf den staubigen Boden gesetzt hatte.
Mit einem erneuten Kopfschütteln holte er seinen Frame aus der Ecke der Kabine und rief die wissenschaftlichen Daten der Welle auf den Schirm. Überrascht stellte er fest, dass sie weitaus schneller war, als er angenommen hatte. Sie raste mit einer Geschwindigkeit von weit über 500 Stundenkilometern auf den Standort der Anlage zu. Laut den realen Bildern war sie keine 100 Kilometer mehr von hier entfernt.
In gut zehn Minuten würde sie auf den hinteren schrägen Anstieg der Anlage aufschlagen.
Er erstarrte. Die Druckwelle vor der Wasserwand! Sie musste jeden Augenblick hier eintreffen.
Fast gleichzeitig mit dieser Erkenntnis bauschte sich der Pflanzenvorhang vor dem Fenster nach außen auf.
Zaghaft wirbelte Staub vom Boden in Spiralen nach oben. Zuerst zaghaft, danach zerfledderte er rasch in stürmischen Fontänen im ganzen Raum. Schlagartig verwandelte das Licht der Scheinwerfer die zarten Staubschlieren in eine undurchdringliche gleißende Wand.
Werfel handelte schnell und setzte die Arack in Bewegung. Durch die ankommende Druckwelle, die draußen über die Felskante raste, entstand ein Sog in der Halle, der alles nach draußen zog. Und Jenaveve saß unmittelbar vor dem Fenster.
Die Lichtverhältnisse waren ein Problem. Die Scheinwerfer strahlten die Staubpartikel direkt an und streuen das Licht in alle Richtungen. Er konnte das Mädchen nicht sehen. Es bestand die Gefahr, dass er sie mit der Arack verletzte, wenn er geradeaus nach vorne fuhr. Deswegen schwenkte er nach rechts und bewegte das Gefährt an der Wand entlang.
Beunruhigt beobachte er, wie die Sogwirkung einsetzte. Die Staubfontänen standen einen Moment lang regungslos im Raum. Dann strebten sie plötzlich in Richtung der Pflanzenvorhänge, die nicht mehr vorhanden schienen. Wahrscheinlich standen sie wegen der Sogwirkung senkrecht von der Felswand ab.
Jetzt spürte er auch unmittelbar die Wirkung des starken Windes. Ein hohles, dröhnendes Rauschen erfüllte die Halle. Die
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