Drake (German Edition)

Frame. Das Erkennungszeichen für Captain Hoffmann, das George für sie eingerichtet hatte. Skeptisch blickte sie das blinkende Zeichen an. Hoffmann hatte sie noch nie persönlich kontaktiert. Wahrscheinlich wollte er nur wissen, ab wann Sternberg wieder ansprechbar war.
    Mit einem Lync aktivierte sie die Verbindung. Das Bild des Captains erschien auf ihrem Frame. Mit ernstem Gesicht in kurzärmligen Hemd und Krawatte. Die Hände vor sich verschränkt.
    »Ja, Captain Hoffmann?«
    »Miss Mulholland«, begann er ohne Umschweife. »Ist Ihnen der Begriff Timeless bekannt?«
    Augenblicklich begannen ihre Gedanken zu rasen. Konnte es sein, dass Hoffmann von dem Experimentalschiff nichts wusste, oder war es eine rein rhetorische Frage? Machte sie einen Fehler, wenn sie zugab, von dem Schiff zu wissen, oder wäre es lächerlich, die Frage zu verneinen?
    »Herr Sternberg erwähnte neulich den Begriff«, antwortete sie vorsichtig und mit einem künstlichen Stirnrunzeln. »Es handelt sich um den Namen eines Schiffes.« Ihre Hände begannen zu schwitzen.
    »Okay«, meinte er gedehnt. Es war ihm anzusehen, dass ihm die knappe Antwort nicht sonderlich behagte. »Lassen wir einmal die Politik aus dem Spiel. Ist Ihnen bekannt, dass dieses Schiff mit Namen Timeless vor einer Woche eine verstümmelte Nachricht an Jason SCIENCE geschickt hat?«
    »Nein, davon ist mir nichts bekannt«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
    »Hier, ich spiele sie Ihnen vor.«
    Es folgte ein mysteriöser Nachrichtenschnipsel in dunkler Umgebung, mit einem aufblitzenden Licht und einem gehauchten Wort, das wie ›nicht‹ klang. Sie konnte damit nicht viel anfangen, wenngleich ihr dieses Stück Nachricht einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    »Miss Mulholland«, drängte Hoffmann weiter. »Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass es sich bei der Timeless um ein Experimentalschiff handelt, das im Auftrag des Sternberg-Trusts eine Zeitanomalie jenseits der sogenannten Sternberg-Linie erforschen soll?«
    Caitlyn Mulholland wurde die undurchsichtige Fragerei zu bunt. »Hören Sie, Captain Hoffmann. Wie Sie schon sagten: Lassen wir die Politik aus dem Spiel. Ich weiß, dass die Timeless durch ein Abkommen zwischen Sternberg und Werfel auf dem Weg zu dieser Zeitanomalie ist. Ich habe nur durch Zufall davon erfahren. Viel mehr ist mir nicht bekannt. Im Grunde genommen müssten Sie doch als Captain darüber mehr wissen als ich. Wenn ich ein Geheimnis ausplaudere, dann geschieht das ohne böse Absicht. Worauf wollen Sie also hinaus?«
    Er sah einen Moment zur Seite, als müsse er sich vergewissern, dass niemand zuhörte. Dann meinte er versöhnlich: »Ich hatte bis vor einer halben Stunde keine Ahnung von der Existenz dieses Schiffes, ganz zu schweigen von dem Auftrag.« Er sah ihr nun wieder fest in die Augen. »Vor einer halben Stunde erreichte mich mit der letzten Nachrichtenbarke von der Erde eine SOS -Audio-Meldung von der Timeless, die besagt, dass das Schiff manövrierunfähig in der Nähe der Zeitanomalie treibt. Der George des Schiffes hat sie gesendet. Keine Angaben über den Zustand der Besatzung. Es handelt sich um eine Meldung, die im Falle einer längeren Nichtkommunikation mit der Besatzung automatisch von George an den Heimathafen gesandt wird. Inklusive Positionsdaten. So weit, so gut. Nur – die verstümmelte Nachricht, die ich Ihnen zuvor abgespielt habe, kam aus unmittelbarer Nähe des Systems Pearl. Es erhebt sich also die Frage, was ist bei Pearl geschehen und warum treibt die Timeless nun plötzlich antriebslos und anscheinend ohne Führung 5000 Lichtjahre weiter in der Nähe der Zeitanomalie? Jason SCIENCE hat mir diese Informationen zukommen lassen. Er war ziemlich kleinlaut, meinte jedoch, mir die Nachrichten nicht vorenthalten zu dürfen. Wahrscheinlich hat er sich nicht getraut, Sternberg in seiner Ruhe zu stören, und ist deswegen zu mir gekommen. Wenigstes das hat der Holzkopf richtig gemacht.«
    »Ehrlich gesagt, weiß ich immer noch nicht, wie ich Ihnen bei der Sache helfen kann«, entgegnete sie, obwohl sie ahnte, worauf Hoffmann hinauswollte.
    »Das nehme ich Ihnen zwar nicht ab, aber wir sprechen ja, wie erwähnt, im Klartext. Laut dem Havarie- und Bergungsrecht im Freien Raum, wie es sinngemäß heißt, besteht für Schiffe in unmittelbarer Nähe des aufgetretenen Unglücks eine absolute Pflicht für sofortige Hilfeleistung, ganz gleich, in welchem Auftrag die Schiffe unterwegs sind, und ganz gleich, in welchem Ausmaß sich eine