Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
nur die geringste Chance haben wollte, seinen
Bruder und Tommy zu retten und Jackson und Pete in Sicherheit zu bringen.
»Mach schon, Liebling«, flüsterte er und hoffte,
die umherwirbelnden Wolken würden seine Stimme zu ihr tragen. »Tu es für mich.
Räume mir diesen Mist aus dem Weg.«
Als hätten sie seine Worte gehört, traten die
sieben Drake-Schwestern gemeinsam bis an die Brüstung vor und blickten aufs
Meer. Libby und Sarah hatten ihre Arme um Elle geschlungen, um sie zu stützen,
als sie inmitten des wogenden Nebels standen.
Sarah blickte zum Himmel auf, zu den wütenden
Wolken, die sich über Sea Haven zusammengeballt hatten, und sah dann wieder
ihre Schwestern an. »Dieser geplagte Geist leidet entsetzlich und glaubt nicht,
dass ihm sein Fehler vergeben werden kann. Das, was er für eine
Fehlentscheidung hält, kann er sich selbst nicht verzeihen. Ich bin sicher,
sein ursprüngliches Motiv war, anderen den Kummer zu ersparen, mit dem er sich
herumschlägt. Er glaubt, wenn er den Umzug verhindert, wird sich die
Vergangenheit nicht wiederholen. Er hat diesen unglaublichen Alptraum immer
wieder durchlebt und muss in die Lage versetzt werden, sich selbst zu
verzeihen, um Ruhe zu finden.« Sie sah Kate an. »Deine Gabe ist schon immer
deine Stimme gewesen, Kate. Ich glaube, das Tagebuch bezieht sich auf dich. Bis
eine geboren wird, die Frieden bringen kann.«
Kate konnte nur an Matt denken, der irgendwo dort
draußen im Nebel war. Sie wollte nicht auf der Aussichtsplattform stehen und
sich auf einen weiteren Kampf einlassen, sie wollte bei ihm sein. Zum ersten
Mal in ihrem ganzen Leben fühlte sie sich in Gegenwart ihrer Schwestern derart
gespalten. In dem Moment wusste sie, dass sie an Matthew Granites Seite
gehörte. Es spielte keine Rolle, dass sie eine Beobachterin war und er
ein Tatmensch, denn sie liebte ihn und sie gehörte zu ihm.
Als könnte sie Gedanken lesen, nahm Hannah ihre
Hand und drückte sie. »Er verlässt sich darauf, dass du das für ihn tust, Kate.
Er verlässt sich auf uns alle.«
Kate holte tief Atem, um ruhiger zu werden. Dann
nickte sie. Sie wich einen Schritt hinter Hannah zurück, da sie wusste, dass
Hannah Platz brauchen würde. Kate wandte sich der Kleinstadt zu, in die der
Nebel eingefallen war, und stimmte einen leisen Gesang an. Es war nicht mehr
als eine behutsame Anfrage, eine Bitte, erhört zu werden. Ihre Stimme wurde von
dem Hauch einer Brise davongetragen, als Hannah sich dem Meer zuwandte und ihre
Arme hob. Sie dirigierte den Wind wie ein Orchester.
Hinter Kate begannen jetzt auch Joley und Abbey zu
singen, eine zarte Melodie der Liebe und des Friedens, die sich mit Kates
unglaublicher Stimme harmonisch zu einer Symphonie der Hoffnung verband. Kraft
begann sich anzusammeln, im Wind und im Himmel über ihren Köpfen. Blitze
spalteten das Wolkengetümmel. Kate sprach von Vergebung und von bedingungsloser
Liebe, der Liebe von Angehörigen, die die Zeit überdauert. Sie lockte und rief.
Sie bat darum, angehört zu werden.
»Du hast ihn berührt, die Verbindung ist
hergestellt«, meldete Elle. »Er wehrt sich gegen den Ruf. Er ist wild
entschlossen zu verhindern, dass der Unfall passiert. In seinem Verständnis
gibt es kein früheres Leben und auch kein zukünftiges Leben. Er sieht nur immer
wieder vor sich, wie seine Frau und sein Kind in den Flammen einen grauenvollen
Tod erleiden, Jahr für Jahr.« Sie taumelte unter der Last des
Schuldbewusstseins, das diesen Mann niederdrückte, unter der Last seines
Verlustes.
Kate zauderte nicht. Matt war irgendwo dort draußen
im Nebel und sie spürte, dass er sich mit ihr in Verbindung setzen wollte und
sich fest auf sie verließ. Und sie wusste, dass er in Gefahr war. Sie sprach
von den Zusammenkünften der Einwohner der Stadt, bei denen jede
Glaubensrichtung vertreten war. Und davon, dass den Älteren und den Jungen
gleichermaßen Respekt erwiesen wurde. Sie sprach von einem Ort, den wahre
Toleranz zu einer sicheren Zufluchtsstätte für jeden machte. Und sie sprach von
Vergebung. Und davon, sich von dem zu lösen, was geschehen war.
Der Wind nahm zu und mit ihm breitete sich die Kraft
aus. Als Reaktion darauf geriet das Meer in Wallung. Eine Herde von Walen kam
an die Wasseroberfläche. Sie bewegten ihre Schwanzflossen im Einklang
miteinander, als wollten sie einen riesigen Fächer bilden. Joleys Stimme,
sinnlich und von einer Reinheit, die man nicht einfach ignorieren konnte, wurde
kräftiger und übernahm die
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