Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
Vom Netzwerk:
Abend mehr, als wenn ich die Goldstücke eimerweise zum Fenster hinausgeschüttet hätte. Dann bot ich mich den Kurtisanen an; aber die nehmen keinen, den ihnen die Justiz nicht vorher abgestempelt hat. Und das sehen sie einem auf den ersten Blick an, ob man Beziehungen zum Galgen hat oder nicht.
    Schigolch
    Yes, yes.
    Alwa
    Ich habe mir keine Enttäuschung erspart; aber wenn ich Witze machte, dann lachten sie über mich selbst; wenn ich mich so anständig gab, wie ich bin, dann wurde ich geohrfeigt; und wenn ich es mit Gemeinheiten versuchte, dann wurden sie so keusch und jungfräulich, daß mir vor Entsetzen die Haare zu Berge standen. Wer die menschliche Gesellschaft nicht überwunden hat, der findet kein Vertrauen bei ihnen.
    Schigolch
    Willst du nicht vielleicht endlich deine Stiefel anziehen, mein Kind? – Ich glaube, ich werde in dieser Behausung nicht mehr viel älter werden. Von den Zehenspitzen aufwärts habe ich schon seit Paris kein Gefühl mehr. Nachgerade wird es auch Zeit für mich. – Und dann die Reiselust, die mich in Atem hält. Gegen Mitternacht werde ich im Cosmopolitan-Club doch wohl noch einen Sodom-Whisky trinken. Gestern sagte mir die Bar-Maid, ich hätte noch Aussicht, ihr Geliebter zu werden.
    Lulu
    In des drei Teufels Namen, ich gehe hinunter!
(Sie nimmt die Whiskyflasche vom Blumentisch und setzt sie an den Mund.)
    Schigolch
    Damit man dich auf eine halbe Stunde weit kommen riecht!
    Lulu
    Ich trinke nicht alles.
    Alwa
    Du gehst nicht hinunter, mein Weib! Du gehst nicht hinunter! Ich verbiete es dir!
    Lulu
    Was willst du deinem Weibe verbieten, das du nicht ernähren kannst?
    Alwa
    Wer ist daran schuld?! Wer anders als meine Frau hat mich auf das Krankenlager gebracht.
    Lulu
    Bin ich krank?
    Alwa
    Wer hat mich in den Kot geschleift? – Wer hat mich zum Mörder meines Vaters gemacht?
    Lulu
    Hast du ihn erschossen? – Er hat nicht viel verloren, aber wenn ich dich dort liegen sehe, dann möchte ich mir beide Hände dafür abhacken, daß ich mich so gegen meine Vernunft versündigt habe! –
(Sie geht nach links in ihre Kammer.)
    Alwa
    Sie hat es mir von ihrem Casti-Plani übermacht. Sie selbst ist allerdings längst nicht mehr dafür erreichbar.
    Schigolch
    Solche Teufelsracker können gar nicht früh genug mit dem Erdulden anfangen, wenn noch Engel daraus werden sollen.
    Alwa
    Sie hätte als Kaiserin von Rußland geboren werden müssen. Da wäre sie an ihrem Platz gewesen. Eine zweite Katharina die Zweite.
    Lulu kommt mit einem Paar ausgetretener Stiefeletten aus ihrer Kammer zurück und setzt sich auf die Diele, um sie anzuziehen.
    Lulu
    Wenn ich nur nicht kopfüber die Treppe hinunterstürze! Hu, wie kalt! – – Gibt es etwas Traurigeres auf dieser Welt als ein Freudenmädchen!
    Schigolch
    Geduld, Geduld! Es muß nur erst der richtige Zug ins Geschäft kommen.
    Lulu
    Mir soll's recht sein; um mich ist es nicht mehr schade.
(Sie setzt die Whiskyflasche an)
Ça me chauffe! Ça m'excite! – O verflucht!
(Sie geht wankend durch die Mitteltür ab.)
    Schigolch
    Wenn wir sie kommen hören, müssen wir uns so lange in meinem Verschlag verkriechen.
    Alwa
    Es ist ein Jammer um sie! – Wenn ich zurückdenke – ich bin doch gewissermaßen mit ihr zusammen aufgewachsen.
    Schigolch
    Solange ich lebe, hält sie jedenfalls noch vor.
    Alwa
    Wir verkehrten anfangs miteinander wie Bruder und Schwester. Mama lebte damals noch. Ich traf sie eines Morgens zufällig bei der Toilette. Doktor Goll war zu einer Konsultation gerufen worden. Ihr Friseur hatte mein erstes Gedicht gelesen, das ich in der »Gesellschaft« hatte drucken lassen: »Hetz deine Meute weit über die Berge hin; sie kehrt wieder von Schweiß und von Staub bedeckt…«
    Schigolch
    Oh yes!
    Alwa
    Und dann kam sie in rosa Tüll – sie trug nichts darunter als ein weißes Atlasmieder – auf den Ball beim spanischen Gesandten. Doktor Goll schien seinen nahen Tod zu ahnen. Er bat mich, mit ihr zu tanzen, damit sie keine Tollheiten anstellte. Derweil wandte Papa kein Auge von uns, und sie sah während des Walzers über meine Schulter weg nur nach ihm. Nachher hat sie ihn erschossen. Es ist unglaublich.
    Schigolch
    Ich zweifle nur stark daran, daß noch einer anbeißt.
    Alwa
    Ich möchte es auch niemandem raten!
    Schigolch
    Dieses Rindvieh!
    Alwa
    Sie hatte damals, obgleich sie als Weib schon vollkommen entwickelt war, den Ausdruck eines fünfjährigen, munteren, kerngesunden Kindes. Sie war damals auch nur drei Jahre jünger als ich; aber

Weitere Kostenlose Bücher