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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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wie lang ist das nun schon her! Trotz ihrer fabelhaften Überlegenheit in Fragen des praktischen Lebens ließ sie sich von mir den Inhalt von »Tristan und Isolde« erklären; und wie entzückend verstand sie sich dabei aufs Zuhören! – Aus dem Schwesterchen, das sich in seiner Ehe noch wie ein Schulmädchen fühlte, wurde dann eine unglückliche hysterische Künstlersfrau. Aus der Künstlersgattin wurde dann die Frau meines seligen Vaters; aus der Frau meines Vaters wurde meine Geliebte. Das ist nun einmal so der Lauf der Welt; wer will dagegen aufkommen.
    Schigolch
    Wenn sie im entsprechenden Augenblick nur nicht Reißaus nimmt und uns statt dessen einen Obdachlosen heraufbringt, mit dem sie ihre Herzensgeheimnisse ausgetauscht hat!
    Alwa
    Ich küßte sie zum erstenmal in ihrer rauschenden Brauttoilette; aber nachher wußte sie nichts mehr davon. Trotzdem glaube ich, daß sie in den Armen meines Vaters schon an mich gedacht hat. Oft kann es ja nicht gewesen sein. Er hatte seine Zeit hinter sich, und sie betrog ihn mit Kutscher und Stiefelputzer. Aber wenn sie sich ihm gab, dann stand ich vor ihrer Seele. Dadurch hat sie auch, ohne daß ich mich dessen versehen konnte, diese furchtbare Gewalt über mich erlangt.
    Schigolch
    Da sind sie!
    Man hört schwere Tritte die Treppe heraufkommen.
    Alwa
emporfahrend
    Ich will das nicht erleben! Ich werfe den Kerl hinaus!
    Schigolch
rafft sich mühsam auf, nimmt Alwa am Kragen und pufft ihn nach rechts
    Vorwärts, vorwärts! Wie soll ihr der Junge seinen Kummer beichten, wenn wir zwei uns hier herumsielen.
    Alwa
    Aber wenn er ihr Gemeinheiten zumutet!
    Schigolch
    Und wenn, und wenn! Was will er ihr denn noch zumuten! Er ist auch nur ein Mensch wie wir.
    Alwa
    Wir müssen die Tür auf lassen.
    Schigolch
Alwa in den Verschlag stoßend
    Wozu die Tür auf lassen! – Kusch dich!
    Alwa
im Verschlag
    Ich werde schon hören, was vorgeht. Gnade ihm der Himmel!
    Schigolch
schließt die Kammertür. Von innen
    Jetzt still!
    Alwa
von innen
    Der soll sich vorsehen.
    Lulu öffnet die Mitteltür und läßt Mr. Hopkins eintreten. Mr. Hopkins ist ein Mann von hünenhafter Gestalt, glattrasiertem rosigen Gesicht, himmelblauen Augen und freundlichem Lächeln. Er trägt Havelock und Zylinder und hält in der Hand den triefenden Schirm.
    Lulu
    There is my little room.
    Mr. Hopkins legt den Zeigefinger auf den Mund und sieht Lulu bedeutungsvoll an. Darauf spannt er seinen Schirm auf und stellt ihn im Hintergrund zum Trocknen auf die Diele.
    Lulu
    It's not just too comfortable here.
    Mr. Hopkins kommt nach vorn und hält ihr die Hand vor den Mund.
    Lulu
    What do you mean?
    Mr. Hopkins legt ihr die Hand vor den Mund und hält den Zeigefinger an die Lippen.
    Lulu
    I don't understand that.
    Mr. Hopkins hält ihr den Mund zu.
    Lulu
sich freimachend
    We are alone. – There is nobody.
    Mr. Hopkins legt den Zeigefinger an die Lippen, schüttelt verneinend den Kopf, zeigt auf Lulu, öffnet den Mund wie zum Sprechen, zeigt auf sich und dann auf die Türe.
    Lulu
    Mon Dieu, quel monstre!
    Mr. Hopkins hält ihr den Mund zu. Darauf geht er nach hinten, faßt seinen Havelock zusammen und legt ihn über den Stuhl neben der Tür. Dann kommt er mit grinsendem Lächeln nach vorne, nimmt Lulu mit beiden Händen beim Kopf und küßt sie auf die Stirn.
    Schigolch
hinter der halboffenen Tür rechts vorn
    Der hat den Spleen.
    Alwa
    Er soll sich vorsehen!
    Schigolch
    Etwas Trostloseres hätte sie uns nicht heraufbringen können!
    Lulu
zurücktretend
    I hope you will give me some money.
    Mr. Hopkins hält ihr den Mund zu und drückt ihr ein Zehnschillingstück in die Hand.
    Lulu besieht das Geldstück und wirft es aus einer Hand in die andere.
    Mr. Hopkins sieht sie unsicher fragend an.
    Lulu
das Geldstück in die Tasche steckend
    Allright!
    Mr. Hopkins hält ihr rasch den Mund zu, gibt ihr ein Fünfschillingstück und wirft ihr einen gebieterischen Blick zu.
    Lulu
    You are generous!
    Mr. Hopkins springt wie wahnsinnig im Zimmer umher, fuchtelt mit den Armen in der Luft und starrt verzweiflungsvoll gen Himmel.
    Lulu nähert sich ihm vorsichtig, schlingt den Arm um ihn und küßt ihn auf den Mund.
    Mr. Hopkins macht sich lautlos lachend von ihr los und blickt fragend im Zimmer umher.
    Lulu nimmt die Lampe vom Blumentisch, wirft Mr. Hopkins einen verheißungsvollen Blick zu und öffnet die Tür zu ihrer Kammer.
    Mr. Hopkins tritt lächelnd ein, indem er unter der Tür seinen Hut lüftet.
    Lulu folgt ihm.
    Die

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