Dramen
Ihnen helfen?
Sommersberg
Mit einer Kleinigkeit – für ein Mittagbrot…
v. Keith
Zu etwas Besserem tauge ich Ihnen nicht?
Sommersberg
Ich bin Invalide.
v. Keith
Sie haben aber das halbe Leben noch vor sich!
Sommersberg
Ich habe mein Leben daran vergeudet, den hohen Erwartungen, die man in mich setzte, gerecht zu werden.
v. Keith
Vielleicht finden Sie doch noch eine Strömung, die Sie aufs offene Meer hinausträgt. – Oder zittern Sie um Ihr Leben?
Sommersberg
Ich kann nicht schwimmen; und hier in München erträgt sich die Resignation nicht schwer.
v. Keith
Kommen Sie doch heute in vierzehn Tagen zu unserer Gründungsfeier in der Brienner Straße. Da können sich Ihnen die nützlichsten Beziehungen erschließen.
(Gibt ihm Geld.)
Hier haben Sie hundert Mark. Behalten Sie so viel von dem Geld übrig, daß Sie sich für den Abend einen Gesellschaftsanzug leihen können.
Sommersberg
zögernd das Geld nehmend
Ich habe das Gefühl, als betrüge ich Sie…
v. Keith
Betrügen Sie sich selbst nicht! Dadurch tun Sie schon ein gutes Werk an dem nächsten armen Teufel, der zu mir kommt.
Sommersberg
Ich danke Ihnen, Herr Baron.
(Ab.)
v. Keith
Bitte, gar keine Ursache!
(Nachdem er die Tür hinter ihm geschlossen, Anna in die Arme schließend)
Und jetzt, meine Königin, fahren wir nach Paris!
Dritter Aufzug
Man sieht einen mit elektrischen Lampen erleuchteten Gartensaal, von dem aus eine breite Glastür in der rechten Seitenwand in den Garten hinausführt. Die Mitteltür in der Hinterwand führt ins Speisezimmer, in dem getafelt wird. Beim Öffnen der Tür erblickt man das obere Ende der Tafel. In der linken Seitenwand eine Tür mit Portiere zum Spielzimmer, durch das man ebenfalls in den Speisesaal gelangt. Neben derselben ein Pianino. Rechts vorn ein Damenschreibtisch, links vorn eine Causeuse, Sessel, Tischchen u. a. In der Ecke rechts hinten führt eine Tür zum Vorplatz.
Im Speisezimmer wird ein Toast ausgebracht. Während die Gläser erklingen, kommen Sommersberg, in dürftiger Eleganz, und v. Keith, im Gesellschaftsanzug, durch die Mitte in den Salon.
v. Keith
die Tür hinter sich schließend
Sie haben das Telegramm aufgesetzt?
Sommersberg
ein Papier in der Hand, liest
»Die Gründung der Münchner Feenpalast-Gesellschaft versammelte gestern die Notabilitäten der fröhlichen Isarstadt zu einer äußerst animierten Gartenfeier in der Villa des Marquis von Keith in der Brienner Straße. Bis nach Mitternacht entzückte ein großartiges Feuerwerk die Bewohner der anliegenden Straßen. Wünschen wir dem unter so günstigen Auspizien begonnenen Unternehmen…«
v. Keith
Ausgezeichnet! – Wen schicke ich denn damit aufs Telegraphenamt…?
Sommersberg
Lassen Sie mich das besorgen. Auf all den Sekt hin tut es mir gut, etwas frische Luft zu schöpfen.
Sommersberg nach dem Vorplatz ab; im gleichen Moment kommt Ernst Scholz herein; er ist in Gesellschaftstoilette und Paletot.
v. Keith
Du läßt lange auf dich warten!
Scholz
Ich komme auch nur, um dir zu sagen, daß ich nicht hier bleibe.
v. Keith
Dann macht man sich über mich lustig! Der alte Casimir läßt mich schon im Stich; aber der schickt doch wenigstens ein Glückwunschtelegramm.
Scholz
Ich gehöre nicht unter Menschen! Du beklagst dich, du stehest außerhalb der Gesellschaft; ich stehe außerhalb der Menschheit!
v. Keith
Genießt du denn jetzt nicht alles, was sich ein Mensch nur erträumen kann?!
Scholz
Was genieße ich denn! Der Freudentaumel, in dem ich schwelge, läßt mich zwischen mir und einem Barbiergesellen keinen Unterschied mehr erkennen. Allerdings habe ich für Rubens und Richard Wagner schwärmen gelernt. Das Unglück, das früher mein Mitleid erregte, ist mir durch seine Häßlichkeit schon beinahe unausstehlich. Um so andächtiger bewundere ich dafür die Kunstleistungen von Tänzerinnen und Akrobatinnen. – Wäre ich bei alledem aber nur um einen Schritt weiter! Meines Geldes wegen läßt man mich allenfalls für einen Menschen gelten. Sobald ich es sein möchte, stoße ich mit meiner Stirn gegen unsichtbare Mauern an!
v. Keith
Wenn du die Glückspilze beneidest, die aufwachsen, wo gerade Platz ist, und weggeblasen werden, sobald sich der Wind dreht, dann suche kein Mitleid bei mir! Die Welt ist eine verdammt schlaue Bestie, und es ist nicht leicht, sie unterzukriegen. Ist dir das aber einmal gelungen, dann bist du gegen jedes Unglück gefeit.
Scholz
Wenn dir solche Phrasen zur Genugtuung gereichen,
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