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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Ihrem Gesicht eine Prinzessin geheiratet.
    Anna
zu Raspe
    Wenn mir recht ist, lernte ich Sie doch seinerzeit unter einem französischen Namen kennen.
    Raspe
    Französische Namen führe ich nicht mehr, seitdem ich ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft geworden bin. – Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen empfehle.
(Ab.)
    Anna
    Ich bin aber doch mit meiner Bedienung nicht darauf eingerichtet, große Soupers zu geben!
    v. Keith
ruft
    Sascha!
    Sascha
kommt aus dem Wartezimmer
    Herr Baron?
    v. Keith
    Willst du an dem Gartenfest bei meiner Freundin bedienen helfen?
    Sascha
    Dös is mir a Freud, Herr Baron.
(Ab.)
    v. Keith
    Darf ich dir heute meinen ältesten Jugendfreund, den Grafen Trautenau, vorstellen?
    Anna
    Ich habe mit Grafen kein Glück.
    v. Keith
    Das macht nichts. Ich bitte dich nur darum, meine Familienverhältnisse nicht mit ihm zu erörtern. Er ist nämlich wirklich Moralist, von Natur und aus Überzeugung. Er hat mich meiner Häuslichkeit wegen heute schon ins Gebet genommen.
    Anna
    Allmächtiger Gott, der will sich doch nicht etwa zum Genußmenschen ausbilden?!
    v. Keith
    Das ist Selbstironie! Er lebt, seit ich ihn kenne, in nichts als Aufopferung, ohne zu merken, daß er zwei Seelen in seiner Brust hat.
    Anna
    Auch das noch! Ich finde, man hat an einer schon zuviel. – Aber heißt der nicht Scholz?
    v. Keith
    Seine eine Seele heißt Ernst Scholz und seine andere Graf Trautenau.
    Anna
    Dann bedanke ich mich! Ich will nichts mit Menschen zu tun haben, die mit sich selber nicht im reinen sind!
    v. Keith
    Er ist ein Ausbund von Reinheit. Die Welt hat ihm keinerlei Genuß mehr zu bieten, wenn er nicht wieder von unten anfängt.
    Anna
    Der Mensch soll doch lieber noch eine Treppe höher steigen!
    v. Keith
    Was erregt dich denn so?
    Anna
    Daß du mich mit diesem fürchterlichen Ungeheuer verkuppeln willst!
    v. Keith
    Er ist lammfromm.
    Anna
    Ich danke schön! Ich werde doch das verkörperte Unglück nicht in meinem Boudoir empfangen!
    v. Keith
    Du verstehst mich wohl nicht recht. Ich kann sein Vertrauen augenblicklich nicht entbehren und will mich deshalb seiner Mißbilligung nicht aussetzen. Wenn er dich nicht kennenlernt, um so besser für mich, dann habe ich keine Vorwürfe von ihm zu fürchten.
    Anna
    Wer will bei dir wissen, wo die Berechnung aufhört!
    v. Keith
    Was dachtest du dir denn?
    Anna
    Ich glaubte, du wolltest mich bei deinem Freund als Dirne verwerten.
    v. Keith
    Das traust du mir zu?!
    Anna
    Du sagtest vor einer Minute noch, daß du jeden Sterblichen nach seinen Talenten verwertest. Und daß ich Talent zur Dirne habe, das wird doch wohl niemand in Zweifel ziehen.
    v. Keith
Anna in die Arme schließend
    Anna – ich fahre morgen nach Paris, nicht um den Börsenmarkt zu bearbeiten oder um Feuerwerk einzukaufen, sondern weil ich frische Luft atmen muß, weil ich mir die Arme ausrenken muß, wenn ich meine überlegene Haltung hier in München nicht verlieren will. Würde ich dich, Anna, mit nach Paris nehmen, wenn du mir nicht mein Alles wärst?! – – Weißt du, Anna, daß keine Nacht vergeht, ohne daß ich dich im Traum mit einem Diadem im Haar vor mir sehe? Wenn es darauf ankommt, für dich einen Stern vom Firmament zu holen, ich schrecke davor nicht zurück, ich finde Mittel und Wege.
    Anna
    Verwerte mich doch als Dirne! – Du wirst ja sehen, ob ich dir etwas einbringe!
    v. Keith
    Dabei habe ich in diesem Augenblick keinen anderen Gedanken in meinem Kopf als die Konzerttoilette, die ich dir bei Saint-Hilaire anfertigen lassen werde…
    Sascha
kommt vom Vorplatz herein
    Ein Herr Sommersberg möcht' um die Ehr' bitten.
    v. Keith
    Laß ihn eintreten.
(Zu Anna, die Toilette markierend)
Eine Silberflut von hellvioletter Seide und Pailletten von den Schultern bis auf die Knöchel, so eng geschnürt und vorn und hinten so tief ausgeschnitten, daß das Kleid nur wie ein glitzerndes Geschmeide auf deinem schlanken Körper erscheint!
    Sommersberg ist eingetreten, Ende der Dreißiger, tiefgefurchtes Antlitz, Haar und Bart graumeliert und ungekämmt. Ein dicker Winterüberrock verdeckt seine ärmliche Kleidung, zerrissene Glacéhandschuhe.
    Sommersberg
    Ich bin der Verfasser der »Lieder eines Glücklichen«. Ich sehe nicht danach aus.
    v. Keith
    So habe ich auch schon ausgesehen!
    Sommersberg
    Ich hätte auch den Mut nicht gefunden, mich an Sie zu wenden, wenn ich nicht tatsächlich seit zwei Tagen beinah nichts gegessen hätte.
    v. Keith
    Das ist mir hundertmal passiert. Wie kann ich

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