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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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keinen zufriedenen Augenblick mehr in meinem Leben haben – was ich von der Welt erhoffte, soll mir verloren sein – nur Unheil soll mir jeder Schritt bringen, den ich dem Glück entgegengehe – wenn ich mich je mit einer Regung gegen die Bestimmungen, die Sie aussprächen, auflehne!
    HETMANN
erhebt sich.
    Daraufhin kann ich Ihre Wahl dem Großmeister vorschlagen. Ich zweifle gar nicht, daß Sie zu den Unsern gehören werden.
    LAUNHART.
    Wollen Sie mich dann bitte auch gleich als Mitglied vormerken. Ich habe die feste Absicht, dem Bunde beizutreten. Ich möchte die Angelegenheit nur gern vorher noch mit meinem Schwiegervater besprechen.
    HETMANN.
    Sie können sich die Mühe sparen. Ihr Wesen macht Ihre Mitgliedschaft von vornherein unmöglich.
    Fritz bringt Launhart auf einem Tablett eine Karte.
    LAUNHART
die Karte lesend.
    »Pietro Alessandro Morosini« – kenne ich nicht!
    HETMANN
bleich vor Zorn.
    Unerhört!
(Zu Fritz.)
Ich lasse den Herrn bitten, im Gasthof drüben noch fünf Minuten auf mich zu warten!
    LAUNHART.
    Wer ist denn das, sagen Sie mal!
    HETMANN
verlegen.
    Das ist – niemand. Ein Bekannter von mir …
    GELLINGHAUSEN.
    Der Herr ist doch nicht vielleicht am Ende gar Ihr Großmeister?
    BERTA.
    Selbstverständlich ist er das!
    HETMANN.
    Nein, nein …
    LAUNHART.
    Aber natürlich, der Großmeister.
(Zu Fritz.)
Eintreten lassen! Sofort! Ich lasse aufs dringendste ersuchen!
    Fritz über die Veranda ab.
    LAUNHART
zu Hetmann.
    Ich verstehe Sie nicht! Warum wollen Sie uns denn diesen Hochgenuß mit aller Gewalt vorenthalten?!
    HETMANN
ganz kleinlaut.
    Er dürfte, finde ich, den Abstand zwischen sich und der Welt etwas peinlicher wahren. Ohne mir ein Urteil anmaßen zu wollen, glaube ich, er brauchte sich nur zu zeigen, wenn man bei ihm um Gehör bittet.
    Pietro Alessandro Morosini tritt über die Veranda in den Garten. Er ist ein schöngewachsener Mann von elastischem Körperbau, rötlichem Spitzbart, milchweißem Teint und blauen Augen. Er geht während des ganzen Stückes in hellem Sportanzug.
    MOROSINI
verbeugt sich, indem er die Rechte in den Ausschnitt seines Jacketts legt.
    Ich habe die Ehre, meine Damen und Herren!
    BERTA
zu Hetmann.
    Das also ist in Ihren Augen der Inbegriff menschlicher Vollkommenheit?
    FANNY
schaudert zusammen und bedeckt das Gesicht mit beiden Händen.
    Allmächtiger Gott!

Zweiter Akt
    Redaktionszimmer. Rechts und links zwei einander gegenüberstehende Schreibtische. Seitentüren. Mitteltür. – An dem Schreibtisch zur Rechten des Zuschauers sitzt Rudolf Launhart, an dem zur Linken Karl Hetmann.
    HETMANN.
    Sie haben wohl schon gehört, daß die Polizei die öffentlichen Versammlungen an unserem Internationalen Kongreß anstandslos gestattet hat?
    LAUNHART.
    Ja, schon gut. – Was ich nebenbei noch bemerken wollte: wissen Sie schon, daß unsere Zeitung heute morgen vom Staatsanwalt konfisziert worden ist?
    HETMANN.
    Nein, davon weiß ich nichts! Aber das habe ich Ihnen doch im voraus gesagt, daß das Blatt konfisziert werden würde, wenn Sie meinen Vortrag darin abdrucken!
    LAUNHART.
    Ganz recht, die Nummer ist konfisziert wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit, und zwar speziell wegen Ihres Aufsatzes: »Über das Liebesleben in der bürgerlichen Gesellschaft im Vergleich zu demjenigen unserer Haustiere.«
    HETMANN
erhebt sich erregt.
    Dreimal schade um diesen Aufsatz! Ich hätte den Aufsatz als Vortrag in hundert Städten halten können, ohne daß ein Mensch auf den Gedanken gekommen wäre, mich daran zu hindern!
    LAUNHART.
    Das gebe ich Ihnen zu. Es ist ein großer Unterschied, ob Sie Ihre Lehren in Ihrer begeisterten Sprache zum Vortrag bringen oder ob sie der Staatsanwalt völlig unvorbereitet schwarz auf weiß vor sich sieht. Aber mit Ihren Vorträgen verdienen Sie sich ein warmes Abendessen, während diese Konfiskation, besonders wenn ein Prozeß daraus wird, die Zahl unserer Abonnenten um das Zehnfache erhöhen kann!
    HETMANN.
    Mir ist es aber um die Verbreitung meiner Lebensauffassung zu tun und nicht darum, durch gerichtliche Konfiskationen mundtot gemacht zu werden!
    LAUNHART.
    Was zum Teufel regen Sie sich denn auf! Es kann Ihnen ja nicht das geringste geschehen! Erstens weiß kein Mensch, daß Sie den Aufsatz »Über das Liebesleben in der bürgerlichen Gesellschaft« geschrieben haben, zweitens stehe ich doch als Herausgeber dafür ein und drittens versichert mir mein Schwiegervater, daß die Sache überhaupt gar nicht schlimm für uns werden

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