Dramen
tust mir aufrichtig leid, Fanny. – Gerade dir hätte ich zuallererst ein normales sicheres Lebensglück gegönnt. Du kannst mir glauben, daß ich weit davon entfernt bin, mich über diese unerwartete Wendung zu freuen. Aber deswegen wehren wir uns ja! Ich verdenke es den Männern gar nicht, daß sie nicht leichten Herzens auf ihre Forderungen verzichten! Es handelt sich bei ihnen um die Macht, uns zu den gefügigsten, brauchbarsten Werkzeugen zur Erreichung ihrer Lebensziele auszubilden.
FANNY.
Als wäre man ein Tier!
BERTA.
Oh, weniger als das! Das Leben der Tiere wird von den Menschen überwacht, um die Entwicklung ihrer Kräfte möglichst zu fördern; und unser Leben wird von der Gesellschaft überwacht, um unsere geistige und körperliche Entwicklung möglichst zu hindern. Darin stehen wir unter dem Haustier.
Launhart kommt über die Veranda in den Garten.
LAUNHART.
Meine Schuld ist es nicht, wenn sich die Herrschaften nicht hereinbemühen wollen. Ich habe meinen Tee getrunken.
Gellinghausen kommt zur Gartenpforte herein und nimmt Launhart beiseite.
GELLINGHAUSEN.
Verzeihen Sie nur einen Moment, Herr Launhart.
LAUNHART.
Bitte, natürlich. Was ist denn mit Ihnen?
GELLINGHAUSEN.
Sie können schwerlich ermessen, was in diesem Augenblick hier zwischen uns vorgefallen ist. Die Verhältnisse zwingen mich aber, Sie darum zu bitten, daß wir unsere Kontrakte wieder austauschen und die zwischen uns getroffene Vereinbarung rückgängig machen.
LAUNHART.
Sie sind wohl verrückt?!
GELLINGHAUSEN.
Sie können so ohne weiteres unmöglich verstehen …
LAUNHART.
Ich verstehe Sie ohne jede Aufklärung! Sie haben sich hier eben mit Ihrer Braut gezankt, wie das unter Liebenden allgemein Sitte ist. In einer Stunde sinken Sie einander wieder selig in die Arme; und deswegen soll ich als Direktor von Launharts sozialwissenschaftlichem Institut dreimalhunderttausend Mark aufs Spiel setzen? Ich denke nicht daran!
FANNY.
Die Verhältnisse liegen doch vielleicht so, Herr Launhart, daß ein weiteres Zusammenwirken von Herrn Gellinghausen und mir in diesem Geschäft unmöglich ist. Erlauben Sie daher, daß ich um meine Entlassung bitte.
LAUNHART.
Gestatten Sie mal, Fräulein Fanny! Wenn ich der Mann dazu wäre, mich durch Ihre Herzensangelegenheiten beeinflussen zu lassen, dann hätte ich nicht das moralische Recht, von Herrn Gellinghausen dreimalhunderttausend Mark entgegenzunehmen! – Aber damit kommen wir nicht weiter. Schieben Sie Ihre Liebesgeschichten auf, bis Sie unter sich sind! Wir sind heute hier, um die geistigen Ziele unseres Unternehmens festzusetzen. Nehmen Sie Platz; wir haben keine Zeit zu verlieren.
Launhart, Berta und Fanny setzen sich.
Wir müssen uns zuerst endgültig über die Richtung einigen, in der wir wirken wollen, und dann sofort darüber nachdenken, welche Mitarbeiter wir dazu brauchen.
GELLINGHAUSEN
sich verbeugend.
Ich bedaure, an der Unterredung nicht teilnehmen zu können.
LAUNHART.
Gestatten Sie mir nur, Sie auf Paragraph fünf aufmerksam zu machen: Wer vor Ablauf der zehn Jahre aus dem Geschäft austritt, hat keinen Anspruch auf Rückvergütung seiner der Firma zugute gekommenen Leistungen.
GELLINGHAUSEN.
Ich habe also die Wahl, mein Vermögen zu verlieren oder mit anzuhören, wie über die heiligsten Empfindungen hinweggespottet wird!
(Er nimmt Platz.)
LAUNHART.
Wenn Sie so empfindlich sind, dann hätten Sie sich eigentlich doch wohl an einem modernen Institut für Sozialwissenschaft gar nicht beteiligen dürfen.
GELLINGHAUSEN.
Ich wollte sehen, wie Sie sich in meinem Fall Ihrer Frau Gemahlin gegenüber benehmen würden!
LAUNHART
sehr trocken.
Darf ich Sie bitten, meine Frau hier aus dem Spiel zu lassen. – Also, Fräulein Fanny, was haben Sie als das Hauptgebiet unserer sozialen Bestrebungen ins Auge gefaßt?
FANNY.
Die Frauenbewegung!
LAUNHART.
So! Also doch! – Sehen Sie, Herr Gellinghausen, da haben wir also schon etwas dadurch gewonnen. – Aber, Fräulein Fanny, Jugenderziehung, Arbeiterpolitik, Frauenbewegung, das ist als Beigabe alles schon und gut. Aber damit lockt man den Hund nicht vom Ofen! – Wir brauchen etwas – denken Sie doch mal nach! – etwas, wie soll ich mich ausdrücken – etwas …
Der Laufbursche Fritz in hübscher Livree kommt über die Veranda in den Garten und überbringt Launhart eine Karte.
FRITZ.
Der Herr läßt fragen, ob Herr Launhart vielleicht zu sprechen ist.
LAUNHART
nimmt die Karte und liest.
»Karl Hetmann
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