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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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kann!
    HETMANN
sehr heftig.
    Mir ekelt in dieser kurzen Spanne Daseins vor Possenspielen! Mit Ihren Beteuerungen sind Sie mir verabscheuungswürdiger, als wenn Sie mir ins Gesicht spieen!
    FANNY
wirft sich ihm zu Füßen.
    Nein, nein! Lassen Sie mich das nicht hören! Gehe ich den Weg, den Sie in Ihrem Kopfe ausgedacht, dann bedarf das größerer Kraft, als wenn ein leichtherziges Geschöpf ihn geht! Fußtritte verdiene ich nicht, auch wenn es genügt, Weib zu sein, um in Ihrem Geiste zu leben! Ich bin Weib und mich soll keine Ihrer Anhängerinnen an Gefügigkeit übertreffen! Keine Ihrer Anhängerinnen soll mich an Liebenswürdigkeit übertreffen! Aber ich stehe nicht auf, ich verlasse diesen Platz nicht, ehe Sie mir ein gütiges Wort gesagt haben! – Ich stehe nicht auf, bevor mir Ihre Blicke etwas anderes als Verachtung zeigen …!
    Gellinghausen stürzt mit einem Zeitungsblatt aus dem Nebenzimmer herein.
    GELLINGHAUSEN.
    Herr Hetmann, ich muß Sie leider dringend bitten, auf einen Augenblick herüberzukommen. Eben ist der Untersuchungsrichter in eigener Person bei uns erschienen.
    HETMANN.
    Gewiß, ich komme!
    Er macht sich von Fanny los und folgt Gellinghausen ins Nebenzimmer. – Fanny erhebt sich, sucht ihre Fassung wiederzugewinnen, geht auf und nieder, setzt sich hinter einen Schreibtisch, stützt die Ellbogen auf und glotzt vor sich hin.
    FANNY.
    Jetzt also – – dem ersten, der dir entgegentritt – – dem zweiten, dem – –
(Auffahrend.)
Will ich es denn so?! Oder will ich es nicht?! – –
(Entschieden.)
Nein, es gibt keine Umkehr! Feige zurückweichen? – Nein! Mit dem Bewußtsein kann ich nicht leben!
    Fritz tritt durch die Mitteltür ein und legt eine Karte vor Fanny auf den Tisch.
    FRITZ.
    Fräulein Fanny, der Herr bittet um die Ehre.
    FANNY
liest die Karte.
    »Walo Freiherr von Brühl.«
    Fritz durch, die Mitteltür ab. Darauf tritt Walo von Brühl ein. Er ist ein junger Mann von auffallend durchgeistigter Schönheit, etwa so, wie man sich den jungen Goethe vorzustellen pflegt; kurzes dunkles Lockenhaar und schmaler Schnurrbart.
    VON BRÜHL.
    Ich rechne es mir als ein außerordentliches Glück an, mein gnädiges Fräulein, daß Sie einen Augenblick für mich übrig haben.
    FANNY
sich erhebend.
    Bitte.
    VON BRÜHL.
    Ich habe mit größtem Interesse Ihre Aufsätze über »Liebessklaverei« gelesen. Ich fühlte mich dadurch zu weiteren Ausführungen angeregt, die ich Ihnen, bevor sie im Druck erscheinen, gern unterbreiten möchte, damit ich sicher bin, Sie nirgends mißverstanden zu haben.
(Er gibt ihr ein Manuskript.)
    FANNY
schlägt das Manuskript in der Mitte auf und liest einen Passus.
    Wäre es denn für uns beide nicht vielleicht anregender, wenn Sie mich mißverstanden hätten oder meinen Ansichten widersprächen?
(An einem Passus im Manuskript innehaltend.)
Das kann ich nicht lesen.
    VON BRÜHL.
    Erlauben Sie.
(Tritt an ihre Seite und liest.)
» Unfreiheit in der Liebe ist das Ergebnis mittelalterlicher Erziehung, wenn sie nicht auf Qualitätsunterschieden der Rasse beruht.«
    FANNY.
    Glauben Sie daran?
    VON BRÜHL.
    Woran meinen Sie?
    FANNY.
    An das, was Sie hier schreiben, daß Unfreiheit in der Liebe nichts anderes als das Ergebnis mittelalterlicher Erziehung ist?
    VON BRÜHL.
    Ich wäre sonst wohl schwerlich Mitglied unseres Bundes! – Oder sollten Sie versucht sein, an dieser Wahrheit zu zweifeln?
    FANNY.
    Nein; durchaus nicht.
    VON BRÜHL
mit jugendlicher Wärme.
    Ich bitte Sie, davon überzeugt zu sein, daß ich den gewaltigen Ernst nicht verkenne, durch den die Hetmannsche Lehre die Gemüter so tief erregt. Es handelt sich um das Unterliegen ideeller Symbole, die vor abertausend Jahren einem kindlichen Menschengeschlecht die Ergebnisse vernünftiger Erkenntnis ersetzen mußten. – Aber verzeihen Sie, mein Fräulein, daß ich mich in Ihrer Gegenwart so weit vergesse, von meinen philosophischen Ansichten zu sprechen!
    FANNY.
    Sagten Sie denn nicht, daß Sie dazu hergekommen sind?
    VON BRÜHL.
    Gewiß. Aber ich kannte Sie nicht.
    FANNY.
    Nun, was wollten Sie einem Blaustrumpf gegenüber denn besseres tun?
    VON BRÜHL.
    Ich könnte Sie zum Beispiel fragen, ob die Bestimmungen unseres Bundes von Ihnen ebenso streng dem Wortlaut nach befolgt werden, wie von anderen Mitgliedern, die ich bis jetzt zu treffen das Glück hatte.
    FANNY.
    Ich war eben schon nahe daran, diese Frage an Sie zu richten.
    VON BRÜHL.
    Dann können wir uns wohl beide die Antwort sparen.
    Er legt seinen Arm um

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