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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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sie. Sie überläßt sich ihm ohne Widerstreben. Pause. Die nächsten Worte werden im Flüsterton gesprochen.
    VON BRÜHL.
    Wann bist du mein?
    FANNY.
    Wann du willst.
    VON BRÜHL.
    Heute abend noch?
    FANNY.
    Ja.
    VON BRÜHL.
    Darf ich dich hier abholen?
    FANNY.
    Gewiß. Ich erwarte dich hier.
    VON BRÜHL.
    Auf dein Wort, mein Kind?!
    FANNY.
    Ich erwarte dich!
    VON BRÜHL.
    Heute abend!
(Darauf in leichteren Ton übergehend.)
Nun sag mir mal, mein Kind, du kennst wohl Karl Hetmann?
    FANNY.
    Ja, ich kenne ihn.
    VON BRÜHL.
    Ist dieser Hetmann wirklich der gewaltige Geist, der seine Gedanken aus den Tiefen einer aufrichtigen Oberzeugung schöpft und der auch die Fähigkeit besitzt, sie selber zu Ende zu denken?
    FANNY
hat sich auf einen Sessel niedergelassen.
    Ich verstehe – dich nicht recht …
    VON BRÜHL
geht auf und nieder.
    Ich habe mich oft gefragt, ob Karl Hetmann nicht eine Art von Naturbursche ist, dem es Spaß macht, mit verblüffend geistreichen Einfallen, die ihm weiß Gott woher kommen, seinen Mitmenschen die Köpfe zu verdrehen!
    FANNY
vor sich hinstarrend.
    Gewiß, ich beginne, zu begreifen …
    VON BRÜHL.
    Kurz und gut, um es mit derben Worten zu sagen: haben wir in Karl Hetmann einen zuverlässigen Geist, auf den sich bauen läßt, oder ist er, was ich immer und immer fürchte, ein sogenanntes Original, eine Reklamegröße, ein Mensch, dem die Befriedigung eigener Eitelkeit höchstes Ziel ist und der sich im stillen über die stets mächtiger anwachsende Bewegung lustig macht, die sein Auftreten zur Folge hat?
    FANNY
erhebt sich und spricht mit unverkennbarer Leidenschaft.
    Karl Hetmann ist die größte Menschenseele, die seit langer Zeit geatmet hat. Hetmann steht nicht wie – du und ich in diesem Leben. Jeder Gedanke, den er hegt, jeder Schritt, den er tut, zielt über die Grenzen unseres Daseins hinaus. Seinem eigenen Wohlergehen gegenüber ist er von einer Gleichgültigkeit, von einer Teilnahmslosigkeit, die ich bei dem niedrigsten Tier nicht für möglich halte. Aber das Feuer, das ihn beseelt im Kampf um das, was er der Menschheit erkämpfen will, ward unter Millionen nur einem verliehen!
    VON BRÜHL
etwas verblüfft.
    Sprichst du denn von allen Männern, die du kennst, mit solcher Begeisterung?
    FANNY.
    Nein! Nur von einem! Andere Männer kenne ich auch nicht! Aber wenn – du ihn kennst, sprichst du in derselben Weise von ihm! Du vermutest in ihm einen Marktschreier?! Seine Bescheidenheit, seine Hilflosigkeit, sobald er einen Augenblick aufhört, das Werkzeug seines Werkes zu sein, sind förmlich mitleiderregend! Ich habe nicht viel Menschenkenntnis, aber ich halte nur einen Mann für groß genug, wo es den Kampf um Überzeugung gilt, sein Leben wegzuwerfen; und der ist Karl Hetmann!
    VON BRÜHL
beleidigt.
    Ich bitte dich, mich mit Karl Hetmann bekannt zu machen!
    FANNY
ängstlich.
    Gewiß – aber nicht heute. Morgen – morgen werde ich – dich mit ihm bekannt machen.
    VON BRÜHL.
    Warum nicht gleich?! Hier auf der Redaktion muß er doch zu finden sein! Deine Ausdrücke stellen mir in Hetmann ein so anbetungswürdiges Götterbild dar, daß ich ihn wenigstens gesehen haben will, bevor ich mit ihm um solche Vergötterung wetteifere!
    FANNY
erschrocken.
    Ich verstehe die Worte nicht …
    VON BRÜHL.
    Warum sagst du mir denn nicht ganz einfach, daß du Karl Hetmann liebst? – Was solch ein Heros sein eigen nennt, bleibt mir unantastbares Heiligtum, solange ich mich nicht davon überzeugt habe, daß ich dessen mindestens ebenso würdig bin wie er! Deshalb bitte ich dich, um unseres Glückes willen, führ mich zu ihm!
    FANNY
verzweifelt.
    Barmherziger Himmel, wie konnte ich Sie so kränken!
    VON BRÜHL.
    Du hast mich gar nicht gekränkt! Aber soll es mir denn gefallen, mir in den Armen eines Mädchens von Männern vorschwärmen lassen zu müssen, die tausendmal bedeutender sind als ich, ohne daß ich ein vernünftiges Wort darauf erwidern kann?! Ich will ihn sehen, um selber eine Ansicht über ihn zu haben. Derweil du mit dir darüber ins klare kommst, ob ich seiner Bekanntschaft nicht unwürdig bin, gelingt es mir vielleicht selber, den Weg zu ihm zu finden!
    Er wendet sich der Mitteltür zu. Im gleichen Augenblick treten Gellinghausen und Berta Launhart durch die Mitteltür ein.
    GELLINGHAUSEN
zu von Brühl.
    Entschuldigen Sie, mein verehrter Herr, aber Sie können hier jetzt nicht hinaus. Unsere Haustür ist durch zwei Kriminalschutzleute besetzt. Bevor der Untersuchungsrichter die

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