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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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schlägt einzelne Tasten an und singt, ohne die Klavierbegleitung zu spielen.
    Klara
singt
.
    Was ist's? Worin war meine Liebe lässig?
Geliebter, wessen klagest du mich an?
    (Sich unterbrechend)
Was das heute wieder einmal mit meiner Stimme ist?!
(Sie singt)
    Weh dir! Verräter! Heuchler! Undankbarer!
Ich laß dich nicht! Du darfst von mir nicht ziehn!
    Ein Dienstmädchen
öffnet von außen die Tür und sagt
    Wollen Sie, bitte, eintreten. Der Herr Professor hat gesagt, er werde um sechs Uhr zu Hause sein.
Zweite Szene
    Franz Lindekuh, fünfunddreißig Jahre alt, glattrasiert und kurz geschoren, tritt ein. – Klara.
    Lindekuh
bemerkt Klara und sagt erstaunt
    Sie sind hier, Fräulein Hühnerwadel?
    Klara
hat sich erhoben
    Ja, ich bin's, Herr Lindekuh. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.
    Lindekuh
    Allerdings. Anderthalb Jahre werden es sein. – Ist denn Josef nicht zu Hause?
    Klara
    Nein. Er ist in der Musikschule. Aber er muß jeden Augenblick kommen.
    Lindekuh
    Und Else?
    Klara
    Else ist vor einer Stunde ausgegangen.
    Lindekuh
    Ist sie wirklich ausgegangen?
    Klara
    Ja, oder zweifeln Sie daran?
    Lindekuh
    Nicht im geringsten. Sie wird ja wohl auch bald nicht wieder nach Hause kommen?
    Klara
    Das weiß ich nicht. – Was haben Sie denn?
    Lindekuh
    Ich habe gar nichts. – Entschuldigen Sie, Fräulein Hühnerwadel. – Ich komme her, weil mir Josef in einer wichtigen Angelegenheit schreibt, daß er mich um sechs Uhr bei sich zu Hause sprechen möchte.
    Klara
    Er wird ja jedenfalls gleich hier sein.
    Lindekuh
    Ich kann ja warten. – – – Ich muß Ihnen aber aufrichtig gestehen, Fräulein Hühnerwadel, daß ich nicht erwartet hätte, Sie hier zu finden!
    Klara
    Warum? Was ist denn los?
    Lindekuh
    Sie scheinen offenbar keine Ahnung zu haben, was um Sie her vorgeht!
    Klara
    Nein, das habe ich auch nicht. Aber sagen Sie es mir, bitte! Ist es irgend etwas, was mich betrifft? – – Nun?! – – Sie benehmen sich mir gegenüber so sonderbar! – Reden Sie doch! – Um Gottes willen, was ist geschehen?!
    Lindekuh
    Geschehen? –
(Er wirft sich in einen Sessel)
Geschehen ist – meines Wissens – bis jetzt noch nichts.
    Klara
geht an die Türe und ruft auf den Vorplatz hinaus
    Hildegard, bringen Sie die Lampe!
(Sie kommt ins Zimmer zurück und bleibt erwartungsvoll am Flügel stehen)
    Lindekuh
nach einer Pause
    Was würden Sie, Fräulein Hühnerwadel, denn dazu sagen, wenn Else Meißner von ihrem Ausgang heute nicht mehr zurückkehrte und in einigen Tagen irgendwo tot aus dem Wasser gefischt würde?
    Klara
    Was ich dazu sagen würde, wenn – wenn Else Meißner…?
    Das Dienstmädchen bringt die brennende Lampe herein, stellt sie auf den Flügel, schraubt den Docht auf und nieder, bis sie richtig brennt, und geht wieder hinaus
    Lindekuh
nachdem das Dienstmädchen draußen ist
    Was würden Sie dazu sagen?
    Klara
    Gott sei Dank, ist es hier endlich hell. – Aber was ist denn mit Else? Ich habe nicht das geringste an ihr bemerkt.
    Lindekuh
erhebt sich erstaunt
    Ist das Ihr Ernst?
    Klara
    So wahr ich hier stehe! Sie ging fort, um, soviel ich weiß, ein Paar Schildpattkämme, die sie vorgestern gekauft hat, umzutauschen. Jetzt sagen Sie mir aber endlich, was Sie von ihr wissen! Sie begehen einen Schurkenstreich, wenn Sie jetzt nicht reden!
    Lindekuh
    Mein gnädiges Fräulein, soweit ich meiner fünf Sinne mächtig bin, ist Ihre Behauptung, daß Sie nichts von den Vorgängen, die sich in diesem Hause abspielen, wissen, eine – Schamlosigkeit…
    Klara
außer sich
    Mein Herr…
(die Hände vor dem Gesicht)
O Gott…
    Lindekuh
    Das berührt mich nicht. Aber ich kann um so eher sprechen, da Ihr Verhalten voraussichtlich morgen schon in den Zeitungen erörtert werden wird!
    Klara
auffahrend
    Ich habe keine Richter und keine Zeitungen mehr zu fürchten! Das habe ich Gott sei Dank hinter mir! Wollen Sie mir jetzt endlich Rede und Antwort stehen!
    Lindekuh
    Mit Vergnügen! –
    Klara
    Sie scheinen sich aber doch noch zu besinnen?!
    Lindekuh
    Weil es mir in diesem Augenblick nicht behagen kann, mich von Ihnen zum Narren halten zu lassen! Wenn in der Zeit, die wie hier mit unnützen Worten vergeuden, ein Menschenleben zum Opfer fällt, dann tragen Sie die Schuld!
    Klara
    Ich?
    Lindekuh
    Warum zum Teufel warten Sie denn, bis die Polizei Sie als Landstreicherin über die Grenze spediert, bevor Sie diesem Hause endlich den Rücken kehren?!
    Klara
ruhig
    Sie sind doch wohl nicht so ohne weiteres in der Lage, mein

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