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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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und mit ihren Kindern in die weite Welt hinauszuziehen. Sollte das Gesetz denn gar keine Handhabe bieten, um mit ausländischen Elementen von so skrupelloser Gemütsbeschaffenheit kurzen Prozeß zu machen?!«
    Ich fand den Brief leider erst heute früh um drei Uhr, als ich hundemüde nach Hause kam. Über Mittag war ich gestern nicht zu Hause gewesen. Ich frage dich nun zuerst: Hast du heute den Zeitungen diese Notiz eingeschickt?
    Lindekuh
    Ja! Ich habe sie an sämtliche Zeitungen geschickt.
    Josef
    So?! – Dann sind Else und Fräulein Hühnerwadel und ich verloren! Ich verliere meine Stellung als Professor am Konservatorium und verliere meine sämtlichen Privatschülerinnen!
    Lindekuh
    Findest du denn ein Wort in der Notiz unwahr oder übertrieben?
    Josef
    Nein! Aber darüber werden wir später sprechen. – Ich fragte mich, nachdem ich den Brief gelesen, immer und immer wieder vergebens: Welchen Beweggrund kann mein Freund Franz Lindekuh haben, um in dieser – unerhörten Weise gegen mich vorzugehen? Und nun kommt eine zweite Frage, die ich an dich richten muß. Hat dir vielleicht meine Frau durch Äußerungen irgendwelcher Art Veranlassung gegeben, mir diesen Brief zu schreiben?
    Lindekuh
    Nein. Das hat sie nicht getan.
    Josef
    Du kannst es mir, wenn es sich so verhält, ruhig sagen. Ich würde es verständlich finden und würde meiner Frau, obschon es eine maßlose Dummheit von ihr gewesen wäre, deswegen kein Haar krümmen.
    Lindekuh
    Ich habe deine Frau seit vier Wochen überhaupt nicht mehr gesehen.
    Josef
    Sie kann dir aber geschrieben haben?!
    Lindekuh
    Nein, sie hat mir nichts geschrieben! Nicht eine Silbe! Ich kann dir mein Ehrenwort darauf geben.
    Josef
    Aber dann sag mir doch zum Henker einmal, welchen Beweggrund du dazu hast, um uns alle zusammen mit einem Schlage zugrunde zu richten?!
    Lindekuh
    Ich – ich konnte die Verhältnisse, in denen du lebst, nicht länger ruhig mit ansehen.
    Josef
    Das war in der Tat auch die einzige Erklärung, die mir für deine Handlungsweise übrig blieb. Du hast einen Sparren! Du giltst infolge deiner Schriften seit Jahren als der unmoralischste Mensch, der unter Gottes Sonne umherläuft, in Wirklichkeit läufst du aber tagaus, tagein mit einem ungestillten, unersättlichen moralischen Heißhunger umher! Du bist moralisch ein Monomane! Du bist ein Don Quichote, der nicht ahnt, um was es sich in dieser Welt handelt, sondern der vom Leben nur die Erfüllung seiner hirnverbrannten Zwangsvorstellungen erwartet und der gemeingefährlich wie ein toller Hund wird, sobald die erhoffte Erfüllung ausbleibt! Du bist einem als Freund durch deinen Wahnsinn gefährlicher, als es einem der erbittertste Feind, der bei gesunder Vernunft ist, durch die abgefeimteste Bosheit werden könnte!
    Lindekuh
    Wenn du mir weiter nichts mitzuteilen hast, dann werde ich gehen.
    Josef
    Und – die Notiz steht morgen in den Zeitungen?
    Lindekuh
    Gewiß. Die Notiz steht morgen in den Zeitungen.
    Josef
    Nun sag mir einmal, welchen Erfolg du dir denn von dieser Notiz versprichst!
    Lindekuh
    Fräulein Hühnerwadel wird ein unverhofftes Wiedersehen mit dem schweizerischen Bundesrat feiern und wird am eidgenössischen Preis- und Wettringfest in Appenzell die Partie der Julia in Spontinis »Vestalin« singen!
    Josef
    Allem Anschein nach fürchtest du also doch, daß meine Frau innerlich unter der Tatsache leidet, daß Fräulein Hühnerwadel trotz ihrer Verurteilung nach wie vor unbehindert in unserem Hause ein und aus geht?
    Lindekuh
    Offen gestanden, ja!
    Josef
    Wie kommst du denn aber zu der hirnverrückten Annahme? Meine Frau lebt mit mir in dem glänzendsten Einvernehmen, das sich zwei verheiratete Menschen nur wünschen können!
    Lindekuh
    Wie du weißt, kenne ich deine Frau seit nun bald sechs Jahren und hatte in dieser Zeit reichlich Gelegenheit, sie sowohl in glücklichen wie in unglücklichen Gemütsstimmungen zu beobachten. Ich habe deine Frau in Zeiten gesehen, wo sie sich in unserem Kreise als unumschränkte Herrin fühlte; ich habe sie in anderen Zeiten gesehen, wo sie der umsichtigsten Lebensklugheit bedurfte, um ihre Stellung als deine legitime Frau zu behaupten. Aber dieser zur äußersten Zuflucht, zur Lieblingsbeschäftigung gewordene Selbstmordgedanke, den ich jetzt bei jeder Gelegenheit, wo wir uns begegneten, unheilvoller in ihren Zügen lese… was soll ich dir sagen?! Ich finde seit Tagen, seit Wochen keine Ruhe mehr! Ich kann des Nachts nicht mehr schlafen!
    Josef
    Ich kann dir mit

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