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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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werden.
    Josef
sich gleichfalls erhebend
    Offenbar glaubtest du meine Frau gegen die Umtriebe einer Dirne, einer Hochstaplerin in Schutz nehmen zu sollen! Laß dir sagen, daß dieses Mädchen das edelste, anständigste Menschenkind ist, das ich jemals kennen gelernt habe! Und was hat sie nun davon, daß sie mir ihren letzten Pfennig zum Opfer brachte?! Tagelang sitzt sie in ihrem möblierten Zimmer in der verlängerten Käferstraße an einem Fenster, das auf den Hof hinausgeht, und wünscht nichts sehnlicher, als der Stadt den Rücken kehren zu können. Von allem künstlerischen und gesellschaftlichen Leben ist sie, da sie mich um keinen Preis kompromittieren will, erbarmungslos ausgeschlossen. Unser Haus ist das einzige in der ganzen Stadt, das ihr offen steht. Dabei hat sie hier wenigstens Gelegenheit, hin und wieder ein wenig zu musizieren. In dem Hinterzimmer, das sie in der Käferstraße bewohnt, ist für ein Pianino leider kein Platz, und wenn sie ihre künstlerischen Zukunftspläne auch längst zu Grabe getragen hat, so ist ihre künstlerische Zukunft ihr eben doch immer noch die teuerste Erinnerung aus ihrer künstlerischen Vergangenheit…
    Lindekuh
    Kann ich vielleicht, bevor ich gehe, noch ein Wort mit der Dame sprechen?
    Josef
    Was führst du denn jetzt wieder im Schild?
    Lindekuh
    Dir, lieber Freund, brauchte ich das wahrlich nicht auf die Nase zu binden!
    Josef
    Ich frage mich natürlich, welch ahnungloses Opfer du denn jetzt wieder meuchlings aus dem Hinterhalt überfallen wirst?!
    Lindekuh
    Ich nehme die nächste Automobildroschke, die ich finde, und fahre, so rasch sie mich trägt, von einer Redaktion zur andern, um wenn irgend möglich den Abdruck der Notiz bis morgen noch zu verhindern. – Vorher muß ich aber noch deiner Schülerin sprechen.
    Josef
    Ich werde sie hereinrufen. Aber
(ihm die Faust über den Kopf haltend)
nimm dich vor mir in acht! Ich warne dich! – Wenn du den geringsten Versuch machst, das Mädchen zu beleidigen, dann – schlage ich dir die Zähne ein und werfe dich kopfüber die Treppe hinunter!
    Lindekuh
ihm kalt in die Augen sehend
    Traurigerweise muß ich mir diese Behandlung von dir gefallen lassen. Ich habe sie mir durch meine Beschränktheit redlich verdient! – Wo ist die Unglückselige?
    Josef
öffnet die Tür und ruft hinaus
    Fräulein Hühnerwadel! – Wollen Sie eben hereinkommen.
    Klara
tritt mit ruhigem Stolz ein, zu Lindekuh
    Was wünschen Sie noch von mir?
    Lindekuh
    Mein gnädiges Fräulein – ich habe Ihnen, als ich vor einer halben Stunde, ohne die Verhältnisse zu kennen, hier eintrat, so weh getan, daß ich mich jeder Demütigung unterziehen würde, die meine unmenschliche Roheit ungeschehen machen könnte. Gott sei Dank können solche Verfehlungen aber trotz ihrer erschütternden Traurigkeit noch zu glücklichen Ergebnissen führen. Ich bitte Sie inständig, mein Fräulein, lassen Sie mich diese einzige Hoffnung als geringen Trost aus unserer unseligen Begegnung mitnehmen! In mir haben Sie in dieser Welt auf lange Zeit Ihren größten Schuldner! Sollten Sie je einmal eines Menschen bedürfen, von dem Sie aus irgend einem Grunde ein großes Opfer zu fordern genötigt sind, dann bitte ich Sie, sich meiner zu erinnern. –
(Zu Josef)
Weiter wollte ich nichts sagen. – Jetzt in die Redaktionen!
(Ab)
Vierte Szene
    Josef, Klara
    Josef
aufatmend
    Da geht der Esel hin!
    Klara
    Ich merkte sofort, daß es nicht bös von ihm gemeint war.
    Josef
ihm nachsehend
    Solch ein Hanswurst! – Bildet sich ein, ich werde vor seinem Revolverjournalismus zu Kreuze kriechen! Sobald der Mensch mit seiner deutschen Literatur nur halb soviel verdient, wie ich mit meiner Gesangspädagogik, dann läßt er den berüchtigtsten Raubmörder, der ihm in die Hände läuft, ungeschoren. In meinen häuslichen Einrichtungen glaubt er endlich den geeigneten Stoff für sein geplantes Sittengemälde gefunden zu haben. Deshalb bietet er sich dir als opferfreudiges Faktotum an! Ich bedanke mich! Ich verspüre nicht die mindeste Lust, mich auf allen Schauspielbühnen als modernen Cagliostro dargestellt zu sehen. Wenn sich mir der Esel noch einmal über die Schwelle wagt, dann schlage ich ihm, bevor er irgend etwas in meinem Hause zu sehen bekommt, den Hirnkasten ein!
    Klara
    Mir schien, daß er die Absicht hatte, irgend etwas über uns in den Zeitungen zu veröffentlichen.
    Josef
    Ich habe ihm seine Finger so blutig gequetscht, daß sie ein halbes Jahr lang nicht daran denken, die Feder zu

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