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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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sein…?
    Klara
in höchstem Stolz
    Beklage ich mich denn?! – Will ich irgend etwas von dir?!
    Josef
    Was – in aller Welt – soll denn werden…?
    Klara
    Jetzt schick mich nach Hause zu meiner sechzigjährigen Mutter, wenn du den Mut dazu hast!
    Josef glotzt sie mit blöden Augen an.
    Es klingelt. Gleich darauf tritt Else Reißner ein
    Else
aufgeregt, in jammerndem Ton
    Ach, da seid ihr ja! – Ich kann euch sagen, es ist mit diesen Leuten rein nicht mehr auszuhalten! Vorgestern kaufe ich mir in der Königstraße für achtzehn Mark zwei echte Schildpattkämme und sehe, sobald ich sie zu Hause ins Haar stecken will, daß der eine zerbrochen ist. Und nun behaupten diese Menschen, ich hätte mich in der Elektrischen auf meine Tasche gesetzt, und wollen den Kamm nicht umtauschen.
(Sie sinkt weinend in einen Sessel)
Wenn diesen Spitzbuben ihr Handwerk nicht bald gelegt wird, dann verliere ich noch den Verstand!
     

Viertes Bild
Der Fluch der Lächerlichkeit
Szenerie
    Eine Dachstube in einem einstöckigen Häuschen auf dem Lande. Blaugetünchte Wände. Niedrige Fenster mit Geranien davor und kurzen, weißen Gardinen. Heiligenbilder an der Wand. Im Hintergrund steht ein schlichtes Bett, davor ein Kinderbettchen. Auf einer Kommode stehen ein Soxhletapparat und Arzneigläser.
Personen
    Frau Oberst Hühnerwadel
    Klara, ihre Tochter
    Josef Reißner
    Else Reißner
    Franz Lindekuh
    Dr. Schwarzkopf
    Eine Vermieterin
Erste Szene
    Klara
sitzt in schlichter Kleidung am Bettchen und singt mit leiser Stimme vor sich hin
.
    »Es lief ein Knäblein in den Wald
War munter und geschwind.
Die Mutter sprach. Kehr wieder bald
Und nasche nicht Beeren, mein Kind!
    Und als die dunkle Nacht begann,
Da schlich es sich müde nach Haus.
Die Mutter sprach: Was hast du getan?
Du siehst ja so kümmerlich aus!
    Das Knäblein sprach: Wie sollt ich sein,
Ich bin ja frisch und gesund!
Waldmännchen hat Beeren ohne Stein,
Die schmecken so süß mir im Mund!
    Nicht schlief die Mutter die ganze Nacht,
Sie weinte vor Kummer und Harm;
Und als der junge Tag erwacht,
Hielt tot sie das Knäblein im Arm.«
    Sie hat den Gesang mehrfach durch heftiges krampfhaftes Schluchzen unterbrochen und die letzte Strophe kaum zu Ende singen können. Bei dem Wort »tot« schrickt sie jäh empor und flüstert die letzten Worte nur noch mechanisch vor sich hin. – Darauf sich zusammenraffend
    Nein, nein, soweit ist es noch nicht!
(Über das Bettchen gebeugt)
Es schläft ja nur! – Die Händchen – wie kühl! – – Aber es muß seine Tropfen bekommen!
    Sie geht zur Kommode, füllt einen Löffel aus einem Arzeneiglas, kehrt zum Bettchen zurück, und flößt dem Kind die Medizin ein
    Es schluckt die Arzenei und öffnet die Augen nicht – verzieht den Mund nicht – – kein Lächeln mehr!
(Aufhorchend)
Da kommt der Doktor! Endlich! Gott sei Dank! Gott sei Dank!
(Sie eilt zur Tür und öffnet. Auf die Treppe hinaussprechend)
Wer ist denn da? – Ach – Ihr seid es! Verhaltet euch nur bitte ruhig!
Zweite Szene
    Josef und Else Reißner treten in durchnäßten Reisekleidern ein. Klara
    Josef
mit gepreßter Stimme
    Ist das ein schauderhaftes Wetter! Und dieser Schmutz vom Bahnhof bis hierher!
    Else
gleichfalls leise sprechend
    Wie geht es dir denn, Klara?
    Klara
    Fragt nicht danach! Fragt nicht danach! Ich weiß ja nicht, wie es mir geht! Ich glaubte, es wäre der Doktor! Er hatte hoch und heilig versprochen, daß er um vier Uhr kommen werde.
    Else
ist mit Klara zum Bettchen getreten und schrickt unwillkürlich zusammen
    Er schläft! – Wann war denn der Arzt zum letztenmal da?
    Klara
über das Bettchen gebeugt
    Nicht wahr? Nicht wahr? – Es steht schlimm!
(Schluchzen)
O Gott! O Gott!
    Josef
hat sich zögernd bis auf einige Schritte genähert
    Wenn das Kind schläft, dann wird es auch wieder zu Kräften kommen. Der Schlaf beweist, daß die Krisis überwunden ist.
    Else
    Wir können leider kaum eine halbe Stunde bleiben. Wir sind auf der Durchreise ausgestiegen. – Warum läßt ihm der Arzt denn keine heißen Einwickelungen machen? Das Kind braucht Wärme!
    Josef
    Ich würde an deiner Stelle dem Arzt lieber nicht ins Handwerk pfuschen!
    Klara
kleinlaut
    Ihr seid wohl gerade im Begriff, in die Sommerfrische zu fahren?
    Else
    Wir gehen auf sechs Wochen nach Marienweiler. Die Kinder sind mit dem Mädchen gleich weiter gefahren.
    Klara
    (über das Bettchen gebeugt)
Jetzt öffnet es die Lippen. Seid einen Augenblick ruhig! Ich bitte euch!
    Josef
    Was sagt denn der

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