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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Arzt?
    Klara
auffahrend
    Daß dieser Mensch nicht kommt! Das ist Pflichtvergessenheit! Das ist Mord! Hätte ich nur die geringste Vermutung, bei welchem Patienten er zurückgehalten wird, dann liefe ich zu ihm hin…
(Sich plötzlich besinnend)
Allmächtiger Gott im Himmel! Ihr müßt mich allein lassen! Ich bitte euch, laßt mich gleich allein! Ihr habt ja gar keine Ahnung davon, was mir bevorsteht!
    Josef
ist ans Bettchen getreten
    Der ruhige Schlummer des Kindes setzt dich in Schrecken, Klara. Laß ihn doch nur wenigstens noch solange schlafen, bis der Arzt hier ist…
    Klara
mit verhaltenem Aufschrei
    Meine Mutter ist hier! In diesem Augenblick steigt sie am Bahnhof aus! Jetzt kann sie jeden Moment in der Türe stehen!
    Josef
    Deine Mutter?!
    Klara
nimmt ein Telegramm vom Tisch und reicht es Josef
    Hier ist ihr Telegramm! – O Gott, o Gott!
    Josef
reicht Else das Telegramm und liest, während es Else in der Hand hält
    »Zürich, 10. Juni – bin morgen Abend um vier Uhr bei dir. Bitte, mich vom Bahnhof abzuholen. – Mama.«
    Klara
    Franz Lindekuh ist auf den Bahnhof gegangen, um meine Mutter, wenn sie aussteigt, so gut es ihm irgend möglich wird, auf alles vorzubereiten. Euch beiden hat er sich natürlich nicht gezeigt, als ihr ausstiegt.
    Josef
    Hast du denn deiner Mutter nicht ein Wort davon geschrieben, daß du das Kind hast?
    Klara
    Hätte ich es ihr doch nur geschrieben. Hätte ich ihr doch nur alles geschrieben! Dann wäre mir jetzt leichter zumute! Ich schrieb ihr nur um Geld und schrieb ihr meine jetzige Adresse dazu. Sie kommt auf meinen Brief hin hierher, weil sie glaubt, daß ich nichts mehr zu brechen und zu beißen habe, und daß mich nur meine künstlerischen Enttäuschungen davon abhalten, zu ihr nach Hause zu kommen.
(Die Hände ringend)
Allmächtiger Gott, allmächtiger Gott, wie trete ich meiner Mutter entgegen! – Aber es gibt da oben über uns keinen Gott. Das habe ich untrüglich erfahren! Es müßte denn ein Ungeheuer sein, dem das klägliche Ächzen meines armen verlassenen Kindes Musik in den Ohren ist! –
(Sich wieder über das Bettchen beugend)
Mein armes Kind! – Dein Erbrechen hat heute früh wenigstens nachgelassen. Aber wie schlaff deine Ärmchen sind! – Gewiß, gewiß, du bekommst wieder etwas zu trinken!
(Zur Kommode gehend)
Kalte Milch mit Sodawasser.
    Else
ihr folgend
    Kann ich dir etwas helfen, Klara?
    Klara
    Bitte, laß mich in Frieden.
(Sie kehrt mit dem Trank zum Bettchen zurück und flößt ihn dem Kind ein)
    Else
    Woran soll denn aber Lindekuh die Mutier am Bahnhof erkennen, wenn sie aus dem Zug aussteigt?
    Klara
vom Bettchen aus nach vorn sprechend
    An ihrer Verzweiflung!
    Josef
    Dieser Eisblock von einer Menschenseele. – Dem Lindekuh ist der Auftrag, deine alte Mutter vom Bahnhof zu dir hierher zu führen und sie auf dieses Wiedersehen vorzubereiten, ein Hochgenuß, für den er getrost zwei Jahre Gefängnis absitzen würde! Dein und deines Kindes Leiden sieht sich dieser lieblose Mensch mit dem gleichen wonnigen Behagen an, mit dem die Bürgerschaft im alten Rom christliche Märtyrerinnen unter den Zähnen reißender Bestien verenden sah!
    Klara
auffahrend
    Da kommt jemand! Hilf mir Gott, das ist meine Mutter!
    Josef
    Hoffentlich ist es der Arzt!
    Klara
hat die Tür aufgerissen und spricht in den Vorplatz hinaus
    Gott sei Dank, sind Sie endlich, endlich hier!
Dritte Szene
    Dr. Schwarzkopf. Die Vorigen. Dann die Vermieterin.
    Dr. Schwarzkopf
sich seines Havelocks entledigend
    Nun erzählen Sie mir einmal ausführlich, Fräulein Hühnerwadel, wie es Ihnen denn nun heute eigentlich geht.
    Klara
ist ans Bettchen geeilt
    Kommen Sie! Sehen Sie mein Kind! Wecken Sie das Kind aus dem entsetzlichen Schlaf! Es schläft schon zwei Stunden!
    Dr. Schwarzkopf
ist ans Bettchen getreten, befühlt das Kind von oben bis unten und sagt fortwährend »Hm – hm.« – Sich aufrichtend
    Jetzt rasch ein heißes Bad!
(Zu Else)
Frau Professor, Sie sind schon so freundlich, mir hier ein wenig an die Hand zu gehen. Ich habe mich bei der Frau da unten im Hause eben schon erkundigt. Sie hat heißes Wasser bereit. Lassen Sie die Frau sofort einen Kübel voll heißes Wasser bringen! So heiß als möglich! Es kann fünfundvierzig Grad Celsius haben!
    Else
hat Hut und Mantel abgeworfen
    Gewiß, Herr Doktor! Sofort!
(Ab)
    Dr. Schwarzkopf
zu Klara, die weinend am Bettchen kniet
    Nun seien Sie erst mal bis auf weiteres vollständig ruhig, Fräulein Klara. Der Verlauf dieser

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