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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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einem solchen Fall kurzweg Hungers sterben. Ich wüßte auch nichts, was mir in dieser Welt so lieb wäre, daß ich es nicht kalten Blutes opferte, wenn mich das Opfer mit dem, was ich als Höchstes, als Ewiges anbete, aussöhnen könnte.
    Dr. Prantl
    Ich bin kein blinder Eiferer; von dieser Verirrung fühle ich mich vollkommen frei. Ich kenne die fast unbegrenzte Weitherzigkeit der Religion von Grund aus und verehre in dieser Weitherzigkeit eine ihrer herrlichsten Segnungen. Aber einem verbissenen, fanatischen Menschenverächter, wie Sie es in all Ihren Schriften sind, die Religion der Nächstenliebe als willkommenes Reklamematerial auszuliefern, vor diesem fürchterlichen Frevel möge mich mein guter Engel bewahren!
    Buridan
    Weil ich die unvermeidlichen Folgen menschlicher Handlungen schildere, deshalb bin ich eine verbissener Menschenverächter!
    Dr. Prantl
    Nicht deshalb, weil Sie diese Folgen schildern, sondern wegen der empörenden Freude, die Ihnen die hilflose Verzweiflung Ihrer Mitmenschen bereitet! Wegen Ihrer himmelschreienden Lieblosigkeit! Und dabei wollen Sie uns überreden, mit Ihnen Hand in Hand zu gehen!? Die Kirche hat den göttlichen Beruf, das Leben der Menschen zu schützen und zu behüten! Ihnen ist das Schauspiel menschlicher Vernichtung höchster Lebensgenuß! Sie kommen wie ein Triumph des Bösen, wie eine Lustseuche über unsere Generation! Vernichtete menschliche Existenzen sind die Marksteine an Ihrem Lebensweg! Ist nicht erst neulich wieder ein junges Geschöpf in der schauerlichsten Weise in den Tod gegangen, nachdem es einen Blick in Ihre Bücher geworfen hatte?
    Buridan
auf dem Diwan
    Sprechen Sie mir nicht davon! Um Gottes Barmherzigkeit, sprechen Sie nicht davon! Das Unglück lag in Familieneigentümlichkeiten begründet. Leichtlebige Menschen gehen leicht in den Tod.
    Dr. Prantl
    Mich wundert nur, daß Sie dieses Unglück nicht auch schon in irgendeinem Ihrer Dramen aus die Bühne gezerrt haben!
    Buridan
aufspringend
    Wenn mir die Schilderung des Unglücks Genugtuung bereitet, so habe ich dafür auch ebensoviel getan, um die Freuden unseres irdischen Daseins in all ihrer ursprünglichen Pracht und Herrlichkeit wieder aufleben zu lassen! Das ist mein höchster Stolz, daß mich auch die erdenklichsten Widerwärtigkeiten nicht in die Reihen der Verneiner, der Pessimisten zu drängen vermochten! Hören Sie mich noch eine Minute an, Herr Doktor! Ich habe große Pläne in meinem Kopf. Es ist sonst nicht meine Art, mit Projekten zu prahlen. Ihnen muß ich zu meiner Rechtfertigung mein geheimstes Innere aufdecken. Seit frühester Kindheit arbeite ich daran, die Verehrung, die uns die schöne Natur einflößt, mit der Verehrung auszusöhnen, die uns die ewigen Weltgesetze abtrotzen. An der Schönheit der Weltgesetze haben wir keine Freude. Vor den Gesetzen weltlicher Schönheit hegen wir keine Achtung. Die Wiedervereinigung von Heiligkeit und Schönheit als göttliches Idol gläubiger Andacht, das ist das Ziel, dem ich mein Leben opfere, dem ich seit frühster Kindheit zustrebe.
    Dr. Prantl
    Sie treten in kein Gotteshaus ein, ohne Heiligkeit und Schönheit aufs innigste miteinander vereinigt zu finden. In Ihrem Munde klingt die Zusammenstellung entsetzenerregend. Was Sie Schönheit nennen, sind Zirkusspiele, Seiltänzerei, niedrige Ausschweifungen! Auf dem Altar der von Ihnen verherrlichten Schönheit schlachten Sie Menschenkinder ab, mit denen Sie vorher Ihr sündiges Spiel getrieben hatten!
    Buridan
    Ich verwahre mich gegen diesen Vorwurf! Ich kenne keinen heiligeren Besitz in dieser Welt als den Besitz an geliebten Menschen! So wahr wie ich keine höhere Gottheit anerkennen kann als die höchste Entfaltung der uns offenbarten Vernunft – schon aus dem einzigen Grunde, weil das höchste, das edelste Ergebnis der uns offenbarten Vernunft die menschliche Güte ist, während Sie mit aller erdenklichen Herzensgüte nie dazu gelangen, sich Vernunft zu erkämpfen!
    Dr. Prantl
lächelnd
    Ihre menschliche Güte würde Ihre Vernunft aber nie daran hindern, über das unglückliche Geschöpf, das eben unter Ihren Füßen zugrunde gegangen ist, ein Theaterstück zu schreiben! Das ist ja das Grauenvolle an Ihren Ausführungen, daß alles darin die lebendigste Wirklichkeit ist! Statt eines Spiels führen Sie Unglücksfälle herbei! Stirbt ein Mensch bei Ihnen, dann ist eben ein Menschenleben dahin! Von geistiger Betätigung keine Spur! Und dieser Scheußlichkeiten rühmen Sie sich womöglich noch!

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