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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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ist ein unbezahlbarer Witz! Ich kann mir gar kein Weib denken, das im Verkehr mit dem Manne natürlicher und gewaltiger empfindet als du.
    FRANZISKA.
    Das konnte ich doch aber nicht im voraus wissen.
    DR. HOFMILLER
nachdenklich.
    Deshalb also?
    FRANZISKA.
    Ja, deshalb.
    DR. HOFMILLER.
    Jetzt kennst du dich aber. Siehst du denn nun nicht ein, Franziska, daß du dadurch in meine Gewalt geraten bist?
    FRANZISKA.
    Das sehe ich durchaus nicht ein.
    DR. HOFMILLER.
    Der Mann, der dich nach mir bekommt, kann dich unmöglich so hochschätzen, wie ich dich schätze. Ich heirate auch keine Frau, die schon ein anderer gehabt hat.
    FRANZISKA.
    Ich stelle aber jetzt, wo ich mich kennen gelernt habe, ganz andere Ansprüche an einen Mann als vorher.
    DR. HOFMILLER.
    Und ich Esel machte mir meiner leichfertigen Handlungsweise wegen die furchtbarsten Gewissensbisse!
    FRANZISKA.
    Du darfst mich deshalb nicht etwa für ein undankbares Geschöpf halten.
    DR. HOFMILLER.
    Ich ertrage deinen Anblick nicht länger.
(Wendet sich zur Tür.)
    FRANZISKA.
    Was hast du vor?
    DR. HOFMILLER.
    Du hast ruchlos mit mir gespielt. Hätte ich mir doch nur diese unsinnige Reise erspart! Mit dem ersten Zuge fahre ich morgen nach München zurück.
(Ab.)
Dritte Szene
    Franziska, später Veit Kunz.
    FRANZISKA
allein.
    Gewissensbisse?! – Er fühlt sie wegen seiner Handlungen, ich meiner Natur wegen.
(Sie setzt sich in einen Lehnstuhl und nimmt den Kopf zwischen beide Hände.)
Diese Überrumplung! Wie konnte ich mir einen Augenblick einbilden, darüber hinaus zu sein! Die Gedanken wallen empor, die Fluten steigen, branden. Mir selber erscheinen die Hirngespinste lächerlich. Aber was hilft das! Ich finde nirgends einen Anhaltspunkt. Gestern abend! Meine Erregung nahm so überhand, daß ich mir Nadeln in die Arme bohrte. Wenn du das wüßtest, Hermann! Deine Umarmung, dachte ich, verscheucht die Gespenster. Unsinn! Sie gab ihnen Greifbarkeit. Jetzt sind's erst Menschen. – – Ich werde aufschreiben, was sie tun. Aber erst, wenn mein Blut ruhiger fließt. – Wie wohl ich mich unter dem Gelichter fühle! Ich lebe in einer anderen Welt. Die Einrichtungen sind andere. Die Freuden sind andere. Das Unheil ist ein anderes. – Ich verschließe es nicht mehr in mir. Ich brauche mir den Hexentanz nur diktieren zu lassen. Vielleicht bringt das Erleichterung.
(Sie nimmt am Schreibtisch Platz und setzt die Feder an. Aufhorchend.)
Da klopft jemand an den Fensterladen.
(Sich erhebend.)
Gott sei Dank, endlich Wirklichkeit!
(Sie öffnet im Hintergrund des Zimmers ein Fenster und spricht gedämpft an den geschlossenen Laden hin.)
Wer klopft da draußen?
    EINE TIEFE MÄNNERSTIMME.
    Ich bin's! Mach' auf!
    FRANZISKA.
    So, du bist's. Das klingt gewöhnlich. Wer bist du denn? Ich halte eine geladene Pistole in der Hand.
    DIE MÄNNERSTIMME.
    Sie trifft nichts. Ich bin dein Freund. Mach' auf!
    FRANZISKA.
    Sprich nicht so laut, die Mutter schläft nebenan.
    DIE MÄNNERSTIMME.
    Dann schließ doch endlich auf!
    FRANZISKA.
    Gleich, gleich!
(Sie stößt den Laden nach außen auf und beugt sich hinaus.)
Nun? – Ist denn niemand hier? – Wo bist du denn?
    VEIT KUNZ
über die Brüstung ins Zimmer steigend.
    Hier bin ich schon.
    FRANZISKA.
    Wo kommen Sie denn her?
    VEIT KUNZ.
    Von Berlin. Ich möchte Sie gerne für ein künstlerisches Unternehmen gewinnen.
    FRANZISKA.
    Für ein künstlerisches Unternehmen? Dann sind Sie zu bedauern. Ich besitze nicht die allergeringste künstlerische Veranlagung.
    VEIT KUNZ.
    Darauf verstehe ich mich besser als Sie. Ich werde Sie zur Sängerin ausbilden.
    FRANZISKA.
    Ich habe gar kein Musikgehör.
    VEIT KUNZ.
    Sie haben unendlich mehr. Sie sind so ebenmäßig gewachsen, wie sich das unter tausend Sängerinnen nicht zweimal findet.
    FRANZISKA.
    Woher wissen Sie denn das so genau!
    VEIT KUNZ.
    Ich sah Sie flüchtig in München in einer Versicherungskanzlei. Ich studierte aus Ihren Bewegungen die Linien Ihres Körpers.
    FRANZISKA.
    Das war lieb von Ihnen. Waren Sie mir bis in die Kanzlei hinauf nachgelaufen?
    VEIT KUNZ.
    Gott bewahre! Ich war wegen meiner Haftpflichtversicherung dort. Bei meinem Beruf weiß man nie, wofür man schließlich von seinen eigenen Geschöpfen verantwortlich gemacht wird.
    FRANZISKA.
    Was sind Sie denn eigentlich?
    VEIT KUNZ.
    Ich bin Sternenlenker.
    FRANZISKA.
    Sternenlenker? Was bedeutet das?
    VEIT KUNZ.
    Ich mache aus einem ganz beliebigen Menschenkind, in diesem Falle aus Ihnen, einen Stern allererster Größe und lenke ihn

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