Dramen
findet. Musik, Plastik, Malerei sind als Ausdrucksmittel der Verehrung allgemein im Gebrauch. Nur der Tanz nicht.
VEIT KUNZ.
Dazu erscheint uns die Allmacht nicht mehr persönlich genug.
HERZOG.
Das kann nicht der einzige Grund sein.
(Er erteilt den Lakaien einen Wink, die darauf abtreten.)
Ich kann dich nicht einmal in meine Zimmer bitten. Meine Frau hat uns überrumpelt.
VEIT KUNZ.
Unsere Reformation gewinnt täglich mehr Boden. Durch unsern Kampf ist unser Volk allen Völkern der Welt voraus.
HERZOG.
Mein Festspiel ist mein rückhaltloses Bekenntnis. Hätte die Kirche vor tausend Jahren unsere Stellung zum Weibe so klar durchschaut, wie sie unsere Stellung zu Gott und zum Nebenmenschen erkannte, dann wäre ihre Lehre darüber heute ihr siegreichstes Dogma.
VEIT KUNZ.
Die Sprachgewandtheit seines Dichters sichert unserm Festspiel das klarste Verständnis. Unsere Moraltheologie schrak schon vor Jahrhunderten vor nichts von dem zurück, was sich heute als modernes Problem großtut. Sie wurde durch das Wiedererwachen des plumpen Aberglaubens schmachvoll unter die Füße gestampft.
HERZOG.
Seit die Welt steht, sind die unmenschlichsten Greuel, die furchtbarsten Verbrechen, Völkermord und Martertod geschätzte poetische Stoffe. Das Mittelalter, aufgestaute zersetzte Sinnenlust, die sich mit Vorliebe an der Erfindung von Grausamkeiten berauschte, ist das gelobte Land aller Dichtung. Und nur gerade das Versteckenspiel zwischen Mann und Weib, das die größten Weltweisen, die größten Künstler ergötzte, soll der Dichtkunst verboten sein!
VEIT KUNZ.
Frauengestalten von männlicher Strenge, Männergestalten von weiblicher Zartheit und Milde sind seit Anbeginn bis heute die vollkommenste Verkörperung des Weltfriedens.
HERZOG.
Überdies doch die nächstliegende Neckerei, das Labyrinth der Empfindung, der Zaubergarten, die Maskerade des Lebens! Als wäre es etwa normal, selbstverständlich, folgerichtig, daß ebenmäßig geschaffene Frauen ihren Wuchs nicht zeigen dürfen!
VEIT KUNZ.
Eine Unnatur, an der unsere Kultur schon seit ihren Anfängen krankt!
HERZOG.
Mein Austauschprofessor sagt mir, es handle sich darum, den schrankenlosen Wettbewerb junger Frauen durch die Verschämtheit der reifer gewordenen etwas zu bändigen. Ich sehe die Notwendigkeit nicht ein. Die reifer gewordenen können sich ja kleiden, wie sie wollen. Warum soll der Wettbewerb der jungen gebändigt werden!
VEIT KUNZ.
Der strenge Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Kleidung ist in der ganzen Welt im Schwinden begriffen.
HERZOG.
Es kommt doch auch nicht auf den Unterschied zwischen Kleidern, sondern auf den Unterschied zwischen Menschen an! Solange das junge Weib noch geduldig seinen Sklavenrock trägt, hat es gar kein Recht, sich über irgendwelche Zurücksetzung zu beklagen.
VEIT KUNZ.
Ich habe kürzlich eine neue sittliche Weltordnung erfunden. Die Resultate meiner Erfindung habe ich in einem Buch niedergelegt. Wäre es nicht möglich, meine neue sittliche Weltordnung in der Residenz oder sonst irgendwo im Herzogtum praktisch auszuprobieren?
HERZOG.
Wenn ich in meinem Lande etwas zu sagen hätte, mit Vergnügen! Aber:
Wie gern wär' ich des Staates erster Diener,
Wär' ich das fünfte Rad am Wagen nicht!
Ich verstehe nicht, wie es andere Hoheiten mit den einfachsten Forderungen von Menschenwürde vereinigen, auf den Passivitätsetat gesetzt zu sein. Ich kann es nicht so selbstverständlich finden, daß ich Herzog bin und andere Menschen schlechtweg Staatsangehörige sind, zumal ich, nach dem Wortlaute der Verfassung, der überflüssigste Mensch in meinem Herzogtum bin.
VEIT KUNZ.
Die tatsächliche Macht könnte trotzdem besser genützt werden!
HERZOG.
Das Land ist evangelisch. Deshalb fehlt jedes tragfähige Vertrauen zwischen ihm und mir. Außerdem ist mein Volk Ethos Potetos , zu deutsch: Kartoffelseele.
VEIT KUNZ.
Ernstlich gewagt wurde meines Wissens noch nichts. Die Zaghaftigkeit, die der Tat im Wege steht, hoffte ich vor Jahren schon mit Glück bekämpft zu haben.
HERZOG.
Damals, als ich mich in die Wahnsinnsversicherung einkaufte? – Du müßtest nur wissen, lieber Freund, was sich ohne mein Zutun in meiner Residenz schon alles abspielt. Junge Mädchen schließen sich zu einer Vereinigung zusammen und proklamieren das uneingeschränkte Eigentumsrecht an den eigenen Körper. Die Tochter meines Justizministers ist in die Sache verwickelt. Das »Sonntagsblatt« gibt höhnisch seiner Verwunderung
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