Dramen
Bernstein wohnt.
Henriette
Gewiß, Herr Doktor. Gleich nebenan.
Schön
ihr ein Billett gebend
Bringen Sie das hinüber.
Henriette
Im Falle, daß der Herr Doktor nicht zu Hause ist?
Schön
Er ist zu Hause.
(Ihr das andere Billett gebend)
Und das bringen Sie auf die Polizeidirektion. Nehmen Sie eine Droschke.
Henriette ab.
Schön
Ich bin gerichtet.
Alwa
Mir erstarrt das Blut.
Schön
nach rechts
Der Narr!
Alwa
Es ist ihm wohl ein Licht aufgegangen?
Schön
Er hat sich zuviel mit sich selbst beschäftigt.
Lulu auf den Stufen links in Staubmantel und Spitzenhut.
Alwa
Wo wollen Sie denn jetzt hin?
Lulu
Hinaus. Ich sehe es an allen Wänden.
Schön
Wo hat er seine Papiere?
Lulu
Im Schreibtisch.
Schön
am Schreibtisch
Wo?
Lulu
Rechts unten.
(Kniet vor dem Schreibtisch nieder, öffnet eine Schublade und leert die Papiere auf den Boden.)
Hier. Es ist nichts zu fürchten. Er hatte keine Geheimnisse.
Schön
Jetzt kann ich mich von der Welt zurückziehen.
Lulu
kniend
Schreiben Sie ein Feuilleton. Nennen Sie ihn Michel Angelo.
Schön
Was hilft das –
(nach rechts deutend)
Da liegt meine Verlobung!
Alwa
Das ist der Fluch deines Spiels!
Schön
Schrei es durch die Straßen!!
Alwa
auf Lulu deutend
Hättest du, als meine Mutter starb, an dem Mädchen gehandelt, wie es recht und billig gewesen wäre!
Schön
nach rechts
Da verblutet meine Verlobung!
Lulu
sich erhebend
Ich bleibe nicht länger hier.
Schön
In einer Stunde verkauft man die Extrablätter. Ich darf mich nicht auf die Straße wagen.
Lulu
Was können denn Sie dafür?
Schön
Deshalb gerade! Mich steinigt man dafür!
Alwa
Du mußt verreisen.
Schön
Um dem Skandal freies Feld zu lassen!
Lulu
an der Chaiselongue
Vor zehn Minuten noch lag er hier.
Schön
Das ist der Dank, für das, was ich für ihn getan habe! Wirft mir in einer Sekunde mein ganzes Leben in Trümmer!
Alwa
Mäßige dich, bitte!
Lulu
auf der Chaiselongue
Wir sind unter uns.
Alwa
Und wie!
Schön
zu Lulu
Was willst du der Polizei sagen?
Lulu
Nichts.
Alwa
Er wollte seinem Geschick nichts schuldig bleiben.
Lulu
Er hatte immer gleich Mordgedanken.
Schön
Er hatte, was sich ein Mensch nur erträumen kann!
Lulu
Er hat es teuer bezahlt.
Alwa
Er hatte, was wir nicht haben!
Schön
jäh aufbrausend
Ich kenne keine Gründe. Ich habe nicht Ursache, Rücksicht auf dich zu nehmen! Wenn du alles in Bewegung setzt, um keine Geschwister neben dir zu haben, so ist das für mich ein Grund mehr, mir andere Kinder zu erziehen.
Alwa
Du bist ein schlechter Menschenkenner.
Lulu
Geben Sie doch selber ein Extrablatt aus.
Schön
im Ton der heftigsten Empörung
Er hatte kein moralisches Gewissen!
(Indem er plötzlich seine Fassung wiedergewinnt)
Paris revolutioniert –?
Alwa
Unsere Redakteure sind wie vom Schlag getroffen. Alles stockt.
Schön
Das muß mir darüber hinweghelfen! – – Wenn nun nur die Polizei käme! Die Minuten sind nicht mit Gold zu bezahlen.
Es läutet auf dem Korridor.
Alwa
Da sind sie…
Schön will zur Tür.
Lulu
aufspringend
Warten Sie, Sie haben Blut.
Schön
Wo…?
Lulu
Warten Sie, ich wische es weg.
(Besprengt ihr Taschentuch mit Heliotrop und wischt Schön das Blut von der Hand.)
Schön
Es ist deines Gatten Blut.
Lulu
Es läßt keine Flecken.
Schön
Ungeheuer!
Lulu
Sie heiraten mich ja doch.
Es läutet auf dem Korridor.
Lulu
Nur Geduld, Kinder.
Schön rechts hinten ab.
Siebenter Auftritt
Escherich. Die Vorigen.
Escherich
von Schön hereingeleitet, atemlos
Erlauben Sie, daß ich – daß ich mich Ihnen – Ihnen vorstelle…
Schön
Sie sind gelaufen?
Escherich
seine Karte überreichend
Von der Polizeidirektion her. Ein Selbstmord, hör' ich.
Schön
liest
Fritz Escherich, Korrespondent der Kleinen Neuigkeiten. – Kommen Sie.
Escherich
Einen Moment.
(Nimmt Notizbuch und Bleistift vor, sieht sich im Salon um, schreibt einige Worte, verbeugt sich gegen Lulu, schreibt, wendet sich zu der erbrochenen Tür, schreibt)
Ein Küchenbeil…
(Will es aufheben.)
Schön
ihn zurückhaltend
Bitte.
Escherich
schreibt
Tür aufgebrochen mit Küchenbeil.
(Untersucht das Schloß.)
Schön
die Hand an der Tür
Sehen Sie sich vor, mein Lieber.
Escherich
Wenn Sie jetzt die Liebenswürdigkeit haben wollen, die Tür zu öffnen.
Schön öffnet die Tür.
Escherich
läßt Buch und Bleistift fallen, fährt sich in die Haare
O du barmherziger Himmel noch mal…
Schön
Sehen Sie sich alles
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