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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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schöne Form gebannt.
    Der hohe Staatsanwalt
stürmt herein
    Ich muß ein Buch bei Ihnen konfiszieren,
    Vor dem die Haare mir zu Berge stehn.
    Erst sah den Kerl man alle Scham verlieren,
    Nun läßt er öffentlich für Geld sich sehn.
    Drum werden wir ihn nach dem Paragraphen
    Einhundertvierundachtzig streng bestrafen.
    Der verschämte Autor
lächelnd
    Mich strafen? Nein! Des Schaffens Götterfreuden
    Raubt mir auch nicht die härteste Strafe mehr.
    Wer sträubt sich jemals, für sein Kind zu leiden?
    An solchem Glück läßt dein Beruf dich leer.
    Mich kannst du foltern, würgen, schinden, henken,
    Mein Werk wird das an keinem Worte kränken!
    Der hohe Staatsanwalt
    Dir schwör' ich's zu, daß du mit frechen Witzen
    Nicht länger der Verdammnis Opfer wirbst.
    Normale Leser muß ich davor schützen.
    Daß du sie grinsend bis ins Mark verdirbst.
    Zwei Jahr Gefängnis sind dein sichrer Lohn;
    Für Ehrverlust sorgst du ja selber schon.
    Der normale Leser
    Jetzt möcht' ich stracks mein Buch bei Ihnen kaufen.
    Ich finde dies Betragen unerhört.
    Laß ich die eignen Kinder christlich taufen,
    Damit mich Hunger umbringt, Durst verzehrt?
    Wenn ihr die Zänkerei nicht bald beendet,
    Dann wird das Geld auf Eierpunsch verwendet.
    Der hohe Staatsanwalt
schließt ihn in die Arme, worauf der normale Leser in Tränen ausbricht
    Bejammernswürdiges Opfer! Abgetötet
    In deinem Busen starb die heilige Scheu.
    Ward diesem Wicht nur erst sein Maul verlötet,
    Dann keimen Zucht und Frömmigkeit aufs neu.
    Zwei Jahr Gefängnis! Ich behaupte dreist,
    Daß er dann ewig keinen Witz mehr reißt.
    Der verschämte Autor
    Wie sollte mich wohl ein Gerichtshof schrecken!
    Wer weiß, ob mir nicht gar sein Eifer nützt,
    Die Schwächen meines Schauspiels aufzudecken,
    So wahr, wie echte Kunst sich selbst beschützt.
    Ich bin's gewiß: Man kann sich nicht entbrechen,
    Von jeder Schuld mich freundlich freizusprechen.
    Der hohe Staatsanwalt
    Spricht man dich frei – womit uns Gott verschone! –
    Noch selbigen Tags leg' ich Berufung ein.
    Nicht jeder Richter trägt der Weisheit Krone,
    Um so verständiger wird ein nächster sein.
    Und zeigt auch der sich für den Autor sanft,
    Dein Schauspiel sicherlich wird eingestampft.
    Der verschämte Autor
    Dann laß ich es zum zweiten Male drucken,
    Und zwar in ernsterer, edlerer Gestalt,
    Nicht mehr im Gaunerwelsch der Mamelucken,
    Im klarsten Deutsch und ohne Hinterhalt.
    Ich bin's gewiß: Dann muß es ihm gelingen,
    Sich unbehelligt selber durchzuringen.
    Der hohe Staatsanwalt
    Grundgütiger Galgen! Dann fehlt nichts auf Erden,
    Als daß dies Stück noch auf die Bühne kommt.
    Doch vorher soll es so geläutert werden,
    Daß es dir nicht mehr zur Reklame frommt.
    Der Weg für deinen giftgen Höllenkrater
    Führt über meinen Leichnam zum Theater.
    Der verschämte Autor
    Was schiert mich das Theater! Unsere kühne
    Tagtäglichkeit erreicht's bekanntlich nie.
    Das menschliche Gehirn sei meine Bühne,
    Mein Lieblingsregisseur die Phantasie.
    Zum hohen Staatsanwalt
    Und dir wird nichts Geringres übrigbleiben,
    Als selbst mir den Prolog dafür zu schreiben.
    Der rührige Verleger
sich zwischen beide drängend
    Prolog ist herrlich! Druckt ihn eine Zeitung,
    Dann sind wir schon so gut wie aufgeführt.
    Nun sorg' ich hurtig für des Buchs Verbreitung,
    Prospekte werden schleunigst expediert.
    Und eh' das Publikum noch Platz genommen,
    Bin ich gewiß, daß keine Krebse kommen.
    Der normale Leser
gleichfalls die Mitte nehmend
    Dann pflanz' ich breit mich in die erste Reihe
    Mit meinem Freibillett und schnarche laut.
    Das ahnt kein Mensch, wie ich mich dran erfreue,
    Wenn so wer Schnitzler oder Shakespeare kaut.
    Ist's nicht genug, daß christlich ich verzeihe
    Und niemand merkt, wie sehr mir davor graut?
    Chorus:
Der hohe Staatsanwalt hält den Arm um den normalen Leser geschlungen
    So pflegen wir gemeinsam das Gehege
    Dramatischer Dichtung mit verteilter Kraft.
    Der normale Leser
    Wenn ich auch meinen Wanst am liebsten pflege,
    Mir fehlt doch nie die große Leidenschaft.
    Der rührige Verleger
hält den Arm um den verschämten Autor geschlungen
    Ich freue mich, wenn sich die Menschen freuen,
    Am ehrlichsten am Funkelnagelneuen.
    Der verschämte Autor
    Wenn's not tut, geb' ich meine Freiheit hin
    Für dich, o Muse, meine Herrscherin.

Erster Aufzug
    Prachtvoller Saal in deutscher Renaissance mit schwerem Plafond aus geschnitztem Eichenholz. Die Wände sind bis zur halben Höhe mit dunklen Holzskulpturen

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