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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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machte den Anschein eines einfachen und berechenbaren Mannes.
    »Hallo, Darling«, sagte Drusilla und warf ihre Hermelin-Kapuze zurück.
    »Ah«, sagte Rufus. Er war gerade eifrig damit beschäftigt, Marschall Neys Stellung in Quatre Bas nachzubauen. Rufus schien nie von Drusilla Notiz zu nehmen, wenn sie allein zusammen waren, und das faszinierte sie.
    Drusilla sagte: »Liebst du mich?«
    Rufus erwiderte: »Das weißt du doch.«
    »Aber du sagst es nie.«
    »Nun, dann sage ich es jetzt.«
    »Was sagst du?«
    »Du weißt es.«
    »Nein, sag’ es mir.«
    »Verdammt, Drusilla, ich liebe dich. Bist du jetzt endlich zufrieden?«
    »Einstweilen wird es genügen müssen«, sagte Drusilla und goß sich etwas grünen Mendocino-Wein in einen Pokal.
    »Wolltest du etwas Besonderes mit mir besprechen?« fragte Rufus. »Du hast mit ziemlichem Nachdruck verlangt, daß wir uns treffen.«
    »Nun, die Sache ist auch sehr dringend«, sagte Drusilla. »Ohne Umschweife: Was würdest du davon halten, Dramokles zu betrügen?«
    »Dramokles betrügen!« Rufus lachte unsicher. »Das schlägt Dramokles’ geliebte Tochter seinem besten Freund vor? Du sagst immer, daß ich bei Witzen nie die Pointe begreife. Ist das einer deiner Witze?«
    »Leider nicht. Ich meine es völlig ernst, denn es ist die einzige Möglichkeit, Dramokles davor zu bewahren, sich selbst und uns alle in einem interplanetaren Krieg zu vernichten. Ich bin sicher, daß Dramokles, wäre er bei Sinnen, selbst zustimmen würde, daß Verrat unter diesen Umständen gerechtfertigt ist.«
    Rufus zupfte an seinem Schnurrbart und fragte: »Aber wir können ihn nicht fragen, nicht wahr?«
    »Natürlich nicht. Wenn er gegenwärtig bei Verstand wäre, brauchten wir ihn ja auch nicht zu fragen, nicht wahr?«
    Man merkte Rufus seine innere Verwirrung an, denn er hob Wellington auf und stellte ihn versehentlich in den Ärmelkanal. Er zupfte so heftig an seinem Schnurrbart, daß es schmerzte, und sagte: »Es würde keinen guten Eindruck machen, Liebling.«
    »Ich habe mit Mr. Doyle, deinem Public-Relations-Mann, darüber gesprochen. Er sagt, angesichts der heiklen Lage könnte er es so hinbiegen, daß die Bevölkerung der Hiesigen Welten dich als Retter und nicht als verräterischen Hund sieht.«
    »Auch Brutus hatte die edelsten Motive, als er sich der Verschwörung gegen Cäsar anschloß. Doch sein Name wurde für alle Zeiten ein Synonym für Verrat.«
    »Mein Schatz, das lag nur daran, daß er keinen PR-Mann hatte«, sagte Drusilla. »Marcus Antonius kaufte die Medien und beeinflußte die öffentliche Meinung gegen ihn. Du weißt, daß Mr. Doyle niemals zulassen würde, daß dir so etwas passiert. Das würde ihn seinen Job kosten.«
    Rufus ging im Zimmer auf und ab, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. »Das ist völlig unmöglich. Wenn ich meinen Freund Dramokles verrate, könnte ich mir nie wieder in die Augen sehen.«
    »Was das betrifft«, sagte Drusilla, »habe ich mir erlaubt, mit deinem Psychotherapeuten, Dr. Geltfoot, über die Sache zu sprechen. Er ist der Auffassung, dein Ego sei stark genug, um mit diesem kurzlebigen Schuldgefühl fertigzuwerden. Du würdest höchstens ein Jahr lang Gewissensbisse haben, und dieser Zeitraum ließe sich mit Drogen noch beträchtlich verkürzen. Dr. Geltfoot hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, daß er dir in dieser Frage nicht rät, dich so oder so zu entscheiden. Er sagt lediglich, daß du, ohne dabei seelisch Schaden zu nehmen, Dramokles verraten kannst, fällst du das für erforderlich hältst.«
    Rufus ging schnell im Zimmer auf und ab, Schmerz und Unsicherheit zeigten sich auf seinem schlichten Soldatengesicht. »Muß es so weit kommen?« fragte er. »Muß Dramokles, der nobelste und großherzigste aller Menschen, von den zwei Menschen verraten werden, die ihn am meisten lieben? Warum, Dru, sag mir, warum?«
    Tränen rannen über Drusillas Wangen, als sie sagte: »Weil das der einzige Weg ist, wie wir ihn und die Hiesigen Welten vor dem Untergang bewahren können.«
    »Und es gibt keine andere Möglichkeit?«
    »Keine.«
    »Kannst du mir erklären, was ein Verrat nützen würde?«
    »Mein armer Liebling, ich fürchte, daß ist zu hoch für dich. Aber ich gebe dir mein Wort darauf, daß wir keine Wahl haben.«
    »Trotzdem, versuch wenigstens, es mir zu erklären.«
    »Also gut. Du weißt, Rufus, daß sich der große moralische Waagebalken des Universums nur schwer in seinen Lagern innerhalb der menschlichen Seele bewegt. Doch wenn

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