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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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Frankreich. Am Morgen, nachdem wir losgefahren waren, zehn nach vier, bekam ich einen Anruf vom Chef. Ich solle den nächsten Rasthof anfahren, den Schwertransport abkuppeln und schnellstmöglich zurückkommen. Warum, hat er nicht gesagt. Ich war nach dreieinhalb Stunden wieder in unserer französischen Niederlassung. Unsere Disponentin meinte, sie dürfe mir nichts sagen. Deshalb hab ich zu Hause angerufen, ob irgendwas passiert war. Ich kam aber nicht durch, weil permanent besetzt war. Dann sagte mir der Chef: Fahr mit der Zugmaschine nach Hause, du hast jetzt mal Urlaub. Ich hab nur blöd geguckt. Bin dann nach Hause gefahren mit Polizeibegleitschutz. Die wussten nämlich, was Sache war. Sie durften mir auch nichts sagen, war vielleicht besser so.
    Ja, und dann kam ich über die luxemburgische Grenze rein und sah unten im Ort nur noch Blaulicht. Ich bin langsam die Straße runtergefahren, da kamen mir schon Nachbarn entgegen und winkten. Dann sah ich unser Haus – der Giebel war weg. Aber auch in diesem Moment hab ich nicht an meine Eltern und an meine Partnerin mit unserem Sohn gedacht. Ein Polizist stoppte mich und meinte, ich könne nicht weiterfahren. Ich nannte ihm meinen Namen. »Oh«, sagte er, »das ist was anderes. Wir machen direkt die Straße frei.« Vor unserem Haus waren Hunderte von Menschen, Feuerwehrmänner, Rettungswagen.
    Ja, und dann kam der schwerste Moment. Eine Nachbarin kam auf mich zu und sagte: »Es tut mir furchtbar leid. Sie sind alle vier tot.«
    Ich sagte: »Wie bitte? Das glaub ich nicht.« Vier Menschen, mein Vater, meine Mutter, meine Lebensgefährtin und unser Kind. Eine Gasexplosion, hieß es. Ich hab es wirklich nicht begriffen. Dann kam erst mal ein Seelsorger zu mir rüber. Ja, und das war dann das Ende der Fahrt. Bis zum heutigen Tag. Jetzt, nächste Woche, wäre das Jahrgedächtnis.«
    Walter hat das alles ohne Zögern erzählt, ohne Pause. Jetzt lehnt er sich zurück, denkt einen Moment nach. Dann spricht er weiter: »Nach der Katastrophe, die ich erlebt habe, bin ich nach Südfrankreich zu einem Kollegen. Da konnte ich etwas abschalten, hab dann aber Heimweh bekommen. Bloß dass da nichts mehr war. Nichts. Ich hab dann im Hotel übernachtet, später nur noch am Wochenende. Die Zwischenzeit hab ich im Auto verbracht, Gott sei Dank nicht draußen auf der Bank. Fast sechs Monate hab ich nur im Auto gelebt, hab überall gestanden, in der Eifel, am Niederrhein, zeitweise auf Autobahnraststätten, und dann wieder kurz im Hotel zum Duschen.
    Ich habe alle Kontakte abgebrochen, war auf mich allein gestellt, weil ich es so wollte. Sonst wäre ich nie zur Ruhe gekommen. Innerlich bin ich immer noch aufgewühlt. Da lässt sich wohl nichts dran ändern. Aber den ziemlich großen Freundeskreis unter den Lkw-Fahrern habe ich behalten, das geht weltweit. Man hat mich aus Marokko und Schweden angerufen und mir Glück gewünscht. Und den Frieden, dass ich wieder zu mir selber finde. Zwei SMS hab ich noch immer auf meinem Handy, die schaue ich regelmäßig an, weil sie mir sehr viel bedeuten.«
    Walter ist schon seit einiger Zeit im Petrusheim. Er macht bei der Arbeitstherapie mit, hat zweimal in der Woche Gespräche mit den Sozialarbeitern und ist dankbar, dass man ihm zu helfen versucht. Ob er zurück in seinen Beruf will? Nicht als einfacher Lkw-Fahrer und auf keinen Fall im Fernverkehr, sagt er.
    »Das Leben eines Lkw-Fahrers schlaucht total, die Fahrer kriegen keine 40, 50 Stunden Schlaf die Woche, wie es nötig wäre. Ich bin mal 48 Stunden durchgefahren. Von Norwegen runter mit dem Schwertransport bis nach Marokko, von dort leer zurück nach Paris, in Paris hab ich was aufgenommen für Würzburg. Und alles in einem Zug durch. Zweieinhalb Stunden Schlaf in zwei Tagen. So sieht die Realität aus.«
    Ich schaue ungläubig. Das ist unmöglich, denke ich, auch wenn ich selbst nicht viel Schlaf brauche.
    Walter lächelt: »Dafür braucht man natürlich Aufputschmittel, Koffeintabletten, davon sollte man nicht zu viel nehmen, mehr als vier sind nicht ratsam. Dann kann man eine ganze Woche durchfahren, weil die so lange anhalten, dass man gar nicht müde wird. Außerdem nehmen wir alle viel Kaffee, auch Kaffee mit Kognak. Ist natürlich verboten, wird aber in Maßen von der Polizei geduldet. In manchen Wochen hatte ich nur sechs Stunden Schlaf. Ich bin im Ausland permanent durchgefahren. Ja, Zeit ist Geld, man hält sich gerade so über Wasser.
    Aber ich möchte nicht mehr so weite Strecken

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