Draußen wartet die Welt
dich.«
»Und warum hat sie es mir dann nicht erzählt?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
»Genau das war ihr Fehler«, erwiderte Beth. »Wie ich es verstehe, wusste sie einfach nicht, wie sie es ansprechen sollte. Sie wollte nicht, dass du einen falschen Eindruck gewinnst. Und irgendwann war einfach zu viel Zeit vergangen, und sie dachte, es sei zu spät, um noch alles zu erklären.«
Auf verworrene Art ergab das durchaus Sinn, aber ich war viel zu aufgebracht, um es zu verstehen. Ich lehnte mich an Tante Beths Schulter, bis ich endlich aufhören konnte zu weinen.
»Ich habe dich noch nie in deinen amischen Kleidern gesehen«, sagte Beth. »Wie fühlst du dich darin?« Ich sah zu ihr hinauf. »Gut«, antwortete ich. »Ich fühle mich gut.«
»Also«, fuhr sie ruhig fort, »wie sieht dein Plan aus?«
Ich hob den Kopf von ihrer Schulter und drehte mich zu ihr. »Ich gehe wieder nach Hause.« Es war das erste Mal, dass mir überhaupt bewusst wurde, dass das mein Plan war.
Beth nickte langsam. »Okay, aber ich denke, du solltest noch eine Weile hierbleiben, bis du dir ganz sicher bist. Ich möchte nicht, dass du wegläufst, weil du wütend bist.«
Als ich am Abend vor meiner Abreise mit Daniel auf unserer Verandaschaukel gesessen hatte, hatte er mich gefragt, ob ich vor ihm weglief, aber das war nicht der Fall gewesen.
»Ich möchte nicht vor irgendwas weglaufen«, sagte ich. »Ich möchte auf etwas zu laufen.«
Tante Beths Stimme klang so weich wie der Samen einer Pusteblume. »Und ist zu Hause das für dich? Ein Ort, auf den du zulaufen möchtest?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann solltest du vielleicht warten, bis du es weißt.«
Ich nickte und aus Beths Gesicht sprach Erleichterung. Mir wurde bewusst, wie traurig sie sein würde, wenn ich wirklich fortging.
Oben im Gästezimmer ging ich ins Bad, um mir das Gesicht zu waschen. Ein amisches Mädchen sah mich aus dem Spiegel an und überraschte mich einen Moment lang. Ich starrte sie an, bis ich wieder wusste, wer sie war. Wir nickten einander zu.
Beim Abendessen sprach ich mit John und Beth über Rachel und darüber, warum sie dieses Geheimnis vor mir bewahrt hatte.
»Weißt du«, sagte Beth, »ich habe wirklich gedacht, Rachel sei anders. Aber vielleicht ist sie genau wie all die anderen Touristen, die in die Stadt kommen und uns anstarren.«
John schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Beth. Ich glaube, es war ihr unangenehm, über ihre Recherchen zu sprechen, weil sie Angst hatte, dass du und Eliza es falsch verstehen würdet.«
»Kann man es denn überhaupt richtig verstehen?«, fragte Beth.
John antwortete mit sanfter Stimme: »Das sind akademische Studien. Sie hatte damit schon lange begonnen, bevor sie uns überhaupt kannte.«
»Das heißt aber nicht, dass es deshalb richtig ist«, gab ich zu bedenken.
»Nein, tut es nicht«, stimmte Beth mir zu. »Und du musst selbst herausfinden, ob du ihr vergeben kannst oder nicht.«
»Wisst ihr«, sagte John, »ich denke, eine der wichtigsten Lektionen, die wir lernen, wenn wir erwachsen werden, ist, dass wir anderen Menschen zugestehen müssen, Fehler zu machen.«
Beth sah John mit einem leisen Lächeln an. »Und dass diese Menschen uns ebenfalls zugestehen, Fehler zu machen.«
Im selben Moment klingelte es an der Haustür. John stand vom Tisch auf und öffnete. Ich hörte Sams ruhige, besonnene Stimme. »Geh nur«, sagte Beth. »Ich räume auf.«
Sam lächelte mich vorsichtig an, als er mich sah. »Ist es okay, wenn ich kurz reinkomme und wir uns unterhalten?«, fragte er. Ich führte ihn ins Wohnzimmer, bot ihm einen Platz an und setzte mich ihm gegenüber auf die Couch.
»Rachel ist völlig durcheinander«, begann er. »Sie hat dir bestimmt nicht wehtun wollen.«
»Das hat sie aber«, sagte ich.
Sam nickte. »Bevor du zu uns gekommen bist, hatten Rachel und ich deswegen eine kleine Auseinandersetzung. Ich fand, sie sollte dir von ihrer Arbeit erzählen. Sie hatte Angst, dass du dich unwohl fühlen würdest, wenn du wüsstest, dass sie über die Amisch schreibt. Und damals dachten wir noch, dass du nur den Sommer über bleiben würdest. Vor ein paar Wochen haben wir noch mal darüber gesprochen, und sie hat gesagt, dass ich recht hatte und sie es dir hätte erzählen sollen.«
Sam sah mich mit ernster Miene an. »Eliza, als du und Josh in der Nacht nach dem Ball einige schlechte Entscheidungen getroffen habt, hat Rachel euch verziehen. Sie hat versucht, eure Seite der Geschichte zu
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