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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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verstehen.« Er hielt einen Augenblick lang inne und ich ließ seine Worte auf mich wirken. »Denkst du, dass du dasselbe auch für sie tun kannst?«
    Nach längerem Schweigen antwortete ich: »Das möchte ich. Aber ich bin noch nicht so weit.«
    Sam atmete tief ein und stieß die Luft langsam wieder aus. »Nachdem du gegangen bist, hat Rachel ihren Professor angerufen. Sie hat ihm gesagt, dass sie ihre Abschlussarbeit nicht fertig schreiben wird.«
    Ich erwiderte nichts, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Er erhob sich. »Gut, ich muss jetzt wieder nach Hause. Da herrscht ein ziemliches Chaos.« Ich stand auf und begleitete ihn zur Tür. Sam legte eine Hand auf meine Schulter. »Ich hoffe, du gehst nicht fort, Eliza. Aber falls doch, dann komm bitte vorbei und besuch die Kinder. Wir haben ihnen gesagt, dass du ein bisschen Zeit bei deiner Tante verbringst, aber sie müssen sich richtig von dir verabschieden können.«
    Ich schluckte. Ich hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, wie Ben und Janie sich fühlen würden. »Keine Sorge«, sagte ich. »Ich würde nie abreisen, ohne Auf Wiedersehen zu sagen.« Sam wirkte erleichtert.
    Später brachte Beth das Telefon zu mir ins Gästezimmer. »Es ist Josh«, sagte sie.
    »Was machst du bei deiner Tante?«, fragte er. »Es ist doch gar nicht Sonntag.«
    Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. »Das erklärt einiges«, sagte er. »Irgendwann habe ich mal bei Rachel gewartet, bis du runterkommst, und gesehen, wie sie ein Buch in ihre Tasche gesteckt hat. Ich hätte schwören können, dass es ein Buch über die Amisch war. Aber als ich sie fragte, hat sie nur gemurmelt, dass sie es schon längst wieder in die Bibliothek hätte zurückbringen müssen.«
    »Wir haben alle unsere Geheimnisse«, erwiderte ich.
    Josh schwieg und ich wartete. Als er schließlich etwas sagte, klang seine Stimme sehr leise, beinahe traurig.
    »Du gehst fort, oder?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Es war eine ehrliche Antwort.

 
Kapitel 45
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich wie gerädert, weil ich die halbe Nacht nicht geschlafen hatte. Ich kam noch rechtzeitig nach unten, um Tante Beth zu sehen, bevor sie zur Arbeit ging.
    »Hast du dich schon entschieden, was du heute machen willst?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich. »Ich muss noch über eine Menge Dinge nachdenken.«
    Beth schaute auf ihre Uhr und setzte sich neben mich an den Tisch. »Ich möchte dir erzählen, was meine Mutter immer zu mir gesagt hat, wenn ich wütend war. Sie hat gesagt: ›Elizabeth, deine Wut sollte so sein wie der Schnee im März.‹« Ich wartete darauf, dass die Worte einen Sinn ergaben. »Wenn es im Januar einen Schneesturm gibt, dann weiß man, dass der Schnee für den Rest des Winters liegen bleibt. Aber wenn es im März schneit, ist es nicht mehr kalt genug, und der Schnee bleibt nicht mehr lange liegen. Der Schnee im März kommt einem anfangs besonders bitter vor, aber dann schmilzt er bald.« Sie erhob sich und schnappte sich ihre Handtasche. »Ich muss zur Arbeit«, sagte sie. »Und du musst herausfinden, ob deine Wut wie Januar-oder wie Märzschnee ist.« Sie küsste mich auf die Stirn, wie eine Mutter, die die Temperatur ihres Kindes fühlt. »Lass mich wissen, wie du dich entscheidest.«
    Nachdem Beth gegangen war, dachte ich darüber nach, was ich tun sollte. Ich war Rachel und ihrer Familie gegenüber eine Verpflichtung eingegangen. Wenn ich wirklich früher abreisen wollte, würde ich es den Kindern erklären und ihnen dabei helfen müssen, es zu verstehen.
    Ich durchsuchte die Klamotten in meiner Reisetasche und bereute, dass ich keine Hose eingepackt hatte, die ich hätte anziehen können. Ich schlüpfte wieder in meine amischen Kleider und packte meine Tasche erneut. Unten hinterließ ich Tante Beth eine Nachricht:
    Danke, dass ich bei Euch übernachten durfte. Ich rufe Dich später an. Eliza.
    PS: Es war Märzschnee.
    Als ich Rachels Haus erreichte, blieb ich einen Augenblick auf der Treppe vor der Tür stehen. Der Schlüssel befand sich in meiner Tasche, aber ich hatte das Gefühl, dass ich heute lieber als Gast hierherkommen sollte. Rachel öffnete die Tür, und ich konnte sehen, wie sich ihre überraschte Miene in einen hoffnungsvollen Gesichtsausdruck verwandelte. Ich trat ins Haus und stellte meine Reisetasche ab. »Ich hätte gestern nicht gehen dürfen, ohne dich alles erklären zu lassen.«
    Rachel wirkte nervös und unsicher, als sie mich nach

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