Draußen wartet die Welt
und über der Wiese flimmerten Glühwürmchen. An diesem Sommerabend neben Daniel zu sitzen, hatte etwas sehr Beruhigendes, und mir wurde bewusst, dass ich nicht wollte, dass Gary schon wieder hier auftauchte. Ich wollte diese friedliche Zeit mit Daniel noch länger genießen. Ich stellte ihm die Frage, die mich schon lange beschäftigte.
»Warum hast du mir nicht geschrieben?«
»Ich habe dir ein Dutzend Briefe geschrieben. Ich habe nur keinen von ihnen abgeschickt.«
»Warum nicht?«
»Ich habe deine Briefe gelesen, und jeder von ihnen hat mir etwas erzählt, was ich vorher noch nicht wusste. Alles, was ich dir geschrieben habe, kam mir so dumm vor. Du weißt schließlich schon alles über die Gottesdienste und die Scheunenrichtfeste. Was soll ich dir da noch schreiben?«
Ich räusperte mich, bevor ich mit sanfter Stimme antwortete: »Schreib einfach von dir. Ich will etwas von dir erfahren.«
»Okay«, erwiderte er mit einem Lächeln.
»Weißt du, was ich mir jeden Abend als Letztes anschaue?«
Er schüttelte den Kopf und wartete.
»Die Holzfigur des Vogels in seinem Nest, die du für mich geschnitzt hast. Sie steht auf meinem Nachttisch, und jeden Abend, bevor ich die Augen schließe, sehe ich sie mir an. So bleibt zu Hause immer in meinen Gedanken.«
Daniel legte seinen Arm um meine Schultern und ich schmiegte mich an ihn.
»Dann schau sie dir auch weiterhin an, Eliza. Damit ich bei dir bin, solange du hier bist.«
Wir wurden von einem leisen Hupen unterbrochen und standen langsam von der Bank auf. Ich konnte Daniels Atem auf meinem Gesicht spüren, als ich zu ihm aufblickte. »Glaubst du, dass du noch mal wiederkommst?«
Daniel schüttelte den Kopf. »Ich habe hier keinen Platz, an dem ich meinen Hut aufhängen könnte.«
Ich nickte und verstand, was er damit sagen wollte.
»Ich werde auf dich warten, Eliza«, fügte er hinzu. Er nahm meine Hände und hielt sie ganz fest. »Aber ich weiß nicht, wie lange.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, ging er die Vordertreppe hinunter und auf das Auto zu. Er drehte sich nicht um, um mir zuzuwinken.
Später am Abend, als die Kinder im Bett waren, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und dachte darüber nach, was Daniel gesagt hatte. Ich hatte ihn nicht gebeten, auf mich zu warten, und seine letzten Worte hatten beinahe wie eine Art Drohung geklungen. Aber Daniel hatte sie auf seine typisch sanfte, ernsthafte Weise ausgesprochen, und mir wurde bewusst, dass er einfach nur aufrichtig gewesen war – eine Eigenschaft, an der es mir in letzter Zeit ziemlich mangelte. Im selben Moment wusste ich, dass ich nicht wollte, dass Daniel auf mich wartete. Ich wollte, dass er nach vorn blickte, damit ich dasselbe tun konnte. Aber ich wusste nicht, wie ich ihm das sagen sollte.
Die Gedanken an zu Hause holten mich wieder ein. Ich hatte die ganze Zeit versucht, nicht an diese weit entfernte Welt zu denken, aber durch Daniels Besuch war mir bewusst geworden, wie sehr ich meine Freunde vermisste. Ich blätterte durch die Briefe, die ich beiseitegelegt hatte, um mir die Worte und die verschiedenen Handschriften anzuschauen. Die Stimmen von Annie, Kate, Mary und Sally klangen in meinen Ohren.
Dann fiel mein Blick auf den Brief meiner Mutter, den ich unter den Stapel geschoben hatte. Ich öffnete ihn und las ihn erneut.
Der Name Beth Winters kam mir überhaupt nicht bekannt vor. Und die Worte auf dem Papier enthielten eine Warnung: Dies müsse ein Geheimnis zwischen meiner Mutter und mir bleiben. Dabei war meine Mutter keine Geheimniskrämerin, sie war geradeheraus und direkt. Erschöpft und verwundert lehnte ich mich zurück.
Ich ging in dem Wissen zu Bett, dass ich mich am folgenden Tag auf die Suche nach Beth Winters machen würde.
Kapitel 21
Am nächsten Morgen, nachdem die Kinder ins Ferienlager verschwunden waren, rief ich Josh auf seinem Handy an. Meine Finger wussten auswendig, welche Zahlen sie drücken mussten, um seine Stimme an mein Ohr zu bringen. Ich war immer ein wenig nervös, wenn ich ihn anrief. Zu Hause warben die Jungen stets um die Mädchen, und manchmal dachte ich, dass Josh auf seinem Handy anzurufen so ähnlich war, als würde ich mit einer Laterne in das Zimmer eines Jungen leuchten. Aber Josh klang jedes Mal, als würde er sich freuen, von mir zu hören. Als sein fröhliches »Oh, hallo« aus dem Telefon ertönte, wurde ich ganz aufgeregt.
»Musst du heute Abend arbeiten?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete er. »Möchtest du vielleicht
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