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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Grossman
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was unternehmen?«
    »Ich brauche deine Hilfe bei der Lösung eines Rätsels«, erwiderte ich und berichtete ihm vom Brief meiner Mutter.
    »Ich kann um vier bei dir sein«, sagte er. Ich nannte ihm die Adresse, und er versicherte mir, er könne sich das Auto seiner Mutter ausleihen und herausfinden, wie man dort hinkam.
    Bevor Rachel in die Bibliothek fuhr, zeigte ich ihr den Brief. »Josh kommt um vier vorbei«, sagte ich. »Denkst du, dass du mich dann entbehren kannst? Ich würde gerne herausfinden, was meine Mutter möchte.« Rachel war einverstanden.
    Ich verbrachte den Tag damit, das Abendessen für die Familie vorzubereiten und die restliche Hausarbeit zu erledigen. Als Josh im Auto seiner Mutter vorfuhr, setzte ich mich neben ihn in den Wagen. Er hatte die Wegbeschreibung am Computer ausgedruckt. Ich las sie durch und hielt nach den entsprechenden Straßenschildern Ausschau. Wie meine Mutter vermutet hatte, war es nicht weit entfernt, höchstens zwanzig Minuten Fahrt. Als Josh in die Elm Street abbog, ließ ich meinen Blick über die sauberen Häuser schweifen. Wir blieben vor einem Haus stehen, das mich an ein kleines Landhaus erinnerte. Die Haustür und die Fensterläden waren im selben Grün gestrichen und bildeten einen hübschen Kontrast zum Grau des restlichen Hauses. Die etwas ungepflegten Beete des farbenfrohen Gartens, der sich entlang des kleinen Hofs vor dem Haus erstreckte, quollen von üppigen Blumensträuchern förmlich über. Neben der Haustür schwang sanft eine weiße Hollywoodschaukel.
    »Das ist es«, verkündete Josh und zeigte auf das Haus, das mir schon jetzt seltsam vertraut vorkam, so als müsste ich es bereits kennen.
    Als das scheppernde Läuten der Türklingel ertönte, platzte ich beinahe vor Aufregung – ich war in meinem ganzen Leben noch nie so neugierig gewesen. Mein Finger zuckte nervös und ich hätte am liebsten noch einmal auf die Klingel gedrückt. Mein Fuß klopfte irgendeinen Rhythmus. Dann hörte ich das Stampfen hastiger Schritte und die Stimme einer Frau, die beinahe melodisch »Ich komme« rief.
    Die Tür wurde aufgerissen und im Türrahmen stand eine Frau in Rachels Alter. Sie trug einen langen, schweren Rock aus blauem Jeansstoff und eine strahlend weiße Bluse. Um ihre Hüften war ein buntes Tuch geschlungen, das bis zu ihrem Rocksaum hinunterhing. Ihr braunes Haar fiel so lässig über ihre Schultern, dass man sie auf den ersten Blick beinahe für einen Teenager hätte halten können. Aus der Nähe konnte ich jedoch die Falten um ihre Augenwinkel erkennen. Graue Augen. Beinahe silbern.
    »Kann ich euch helfen?«, fragte sie. Ihre Stimme klang vertraut. Nach zu Hause.
    Ich öffnete den Mund, brachte jedoch kein einziges Wort heraus. Daher ergriff Josh das Wort und sagte freundlich und bestimmt: »Wir sind auf der Suche nach Beth Winters.«
    Die Frau nickte. »Ich bin Elizabeth Winters. Aber alle nennen mich Beth.« Als sie mich genauer betrachtete, wirkte sie einen Moment lang beinahe erschrocken. Sie studierte mein Gesicht eindringlich. Dann machte sie einen Schritt zurück und deutete zögernd ins Haus. »Möchtet ihr vielleicht reinkommen?«
    Josh und ich traten in die Diele. Die Farben waren gedämpft und unaufdringlich, wie ein Nachmittag im Oktober. Ich spürte, wie Josh mich in die Seite stieß, und fand meine Sprache wieder.
    »Meine Mutter wollte, dass ich Sie aufsuche«, erklärte ich. Die Frau wirkte ebenso nervös, wie ich mich fühlte.
    »Und wer ist deine Mutter?«, erkundigte sie sich mit leicht zitternder Stimme. Ihr Klang löste ein Kribbeln in meiner Kehle aus. Ich atmete ganz tief ein, bevor ich antwortete.
    »Meine Mutter heißt Rebecca. Rebecca Miller.«
    Beth Winters schnappte kaum hörbar nach Luft. Dann schien sie für einen flüchtigen Moment in sich zusammenzusacken. Josh sprang nach vorn, um sie zu stützen, aber sie schüttelte den Kopf. »Es geht mir gut«, sagte sie schnell, aber ihre Stimme klang erstickt und atemlos. Sie richtete sich wieder auf, drehte sich zu mir um und schaute mich mit großen Augen von oben bis unten an. »Du bist zu jung, um Margaret zu sein«, stellte sie fest. »Welches von Beckys Kindern bist du?«
    »Ich bin Eliza«, antwortete ich und wartete darauf, dass all das endlich einen Sinn ergab. Niemand nannte meine Mutter jemals Becky. Vor lauter Verwirrung nahm ich Josh, der neben mir stand, kaum noch wahr.
    »Dann hat sie dich also doch nach mir benannt«, erwiderte Beth Winters. Tränen traten in die Augen

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