Draussen
förmlichste Grußformel, die ich kenne! Schreib nur ›Grüße‹. Oder ›Bis bald‹. Überhaupt ist diese SMS ja wohl sehr trocken …« – »Aber ich schreibe wenigstens! Mann, der soll sich bloß nichts einbilden …« Connie guckte mich fragend an. »Ich dachte, er soll merken, dass du ihn magst.« – »Ich wüsste gern, ob jemals ein Mann, ein Hetero-Mann, wohlgemerkt, jemals mit einem Freund zehn Minuten diskutiert hat, bevor er einer Frau eine SMS geschickt hat.« – »Ich fürchte, nein.« Ich änderte »LG« in »Grüße!« und drückte auf »Senden«. Im selben Moment wurde mir übel. Vielleicht hätte ich das doch nicht machen sollen. Ich hatte ja auch meinen Stolz. Und ich hatte mich ja eigentlich an mein Mantra erinnert. Desinteresse war immer noch der beste Weg zum Erfolg, ich war das beste Beispiel. Schließlich fand ich Mathis bestimmt auch deshalb so toll, weil er mich nicht mit Liebesbekundungen überhäufte. Mein Handy klingelte und riss mich aus meinen Überlegungen. Ich guckte aufs Display. »Es ist Mathis!« rief ich Connie panisch zu. »Was soll ich tun?« – »Rangehen natürlich, doofe Frage!« – »Und was, wenn er jetzt genervt ist von meiner SMS?« – »Hä? Wieso sollte er? Geh ran, bevor er wieder auflegt!« – »Haiiii Mathis!« – »Hallo Sara, danke für deine SMS. Sag mal, wollen wir diese Doku nicht zusammen gucken? Bei mir? Ich bin gerade am Kochen und bin versetzt worden, hast du Lust, vorbeizukommen?« Ich hielt an meinem Handy die Löcher zu, von denen ich glaubte, dass sie der Sprechmuschel entsprachen, und zischte Connie aufgeregt zu: »Er will, dass ich vorbeikomme. Bei ihm. Dass wir zusammen fernsehen. Und essen.« – »Hallo? Hallo? Bist du im Funkloch?« drang es aus dem Gerät, während Connie wild gestikulierte und nickte und flüsterte: »Natürlich machst du das! Los! Sag ihm das! Sofort!« – »Äh, Mathis, ja, gut, ich komme gern, aber nicht so lang, ich hab morgen früh ein wichtiges Meeting.« Ich war stolz auf mich, dass ich nicht ganz so enthusiastisch rüberkam. »Wo wohnst du überhaupt?« Er nannte mir seine Adresse, sagte noch, dass er sich freue, und wir legten auf. Mein Herz raste und mir war etwas schwindelig. »Ich soll zu ihm! Nach Hause! Jetzt!« Ich sah Connie so um Mitleid heischend an, als hätte mir gerade jemand erzählt, ich müsste in das Gefängnis, ohne über Los zu gehen. Tatsächlich war ich den Tränen nahe. »Ja, aber das ist doch super! Guck mal, er lädt dich ein!« – »Er sagte, er sei versetzt worden und gerade am Kochen.« (Versetzt? Von wem eigentlich, fragte ich mich, schob diesen Gedanken aber gleich wieder weg.) – »Na ja, er könnte ja auch alleine essen. Er will dich sehen!« – »Wie seh ich aus? Kannst du mir was leihen? Ich schaff das nicht vorher noch nach Hause.« – »Klar. Die Jeans behältst du an, aber obenrum kannst du was mit größerem Ausschnitt vertragen.« Sie griff in ihren Schrank und holte eine tailliert geschnittene geblümte Bluse mit Knöpfen heraus. »Die ersten drei Knöpfe machen wir auf«, bestimmte sie und reichte sie mir. Ich war sowieso willenlos und schlüpfte hinein, betrachtete mich im Spiegel und gefiel mir einigermaßen. »Na dann los! Und ruf mich unbedingt nachher an! Oder morgen!« Sie zwinkerte mir zu. Morgen! Ha! Nie und nimmer würde ich über Nacht bei ihm bleiben. Beim zweiten Date! Ich schüttelte den Kopf. »Und meinst du, ich kann da wirklich hin? Ich meine, ich kenn den doch gar nicht wirklich.« – »Na ja, soviel Menschenkenntnis trau ich dir dann schon zu, dass du dich nicht mit dem ›Schlitzer von Wilhelmsburg‹ verabredest. Aber wenn es dich beruhigt, dann ruf ich dich in ’ner Stunde mal an, und wenn du dich da unwohl fühlst, sagst du ihm, mir geht’s schlecht und du musst nach mir gucken, o. k.?« – »O. k., guter Plan.« – »Übrigens, was ist eigentlich mit diesem Marc?« – »Ach ja, das Heft! Das muss ich mir kaufen! Gut, dass du mich daran erinnerst … Aber jetzt drück mir die Daumen!«
Mathis hatte eine klassische Hamburger Jugendstilwohnung mit hohen Decken und Dielenboden. Zwei Zimmer: ein geräumiges großes Wohnzimmer mit einer Arbeitsecke, wo sein Schreibtisch stand, eine geschlossene Tür führte wohl ins Schlafzimmer, wie ich messerscharf vermutete, und es gab eine große Wohnküche, in der wir beide jetzt saßen. An die Küche grenzte ein Südbalkon, auf dem zwar ein Tisch und zwei Stühle standen, aber keine Pflanze war zu sehen.
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