Draussen
Haar auch lichten. Auf jeden Fall konnte er sowohl gut zuhören als auch nett erzählen. »Ich mochte an Schweden, dass man da überall wild campen darf. Und man will es auch, denn diese Natur ist ja einfach umwerfend. Dieses Land muss man einfach zu Fuß oder per Paddelboot erkunden oder beides.« Er hatte eine schöne Stimme. »Und wie lange ist das her, dass du da warst?« fragte ich ihn und zwirbelte mädchenhaft eine Haarsträhne zwischen den Fingern. Mit schiefgelegtem Kopf natürlich. Samy Molcho ließ grüßen. »Ach, ich war oft in Schweden. Letztes Jahr zuletzt. Ein traumhafter Sommer. Ein Kumpel und ich hatten drei Wochen Zeit. Und die Schwedinnen sind auch nicht zu verachten.« Er lachte. »Aber keine war dabei, die so hübsch war wie du!« Mein Gott, der ging aber ran! Mein Herz schlug so wild, als wolle es raus. Was tat man denn, wenn einer so mit einem flirtete? Wie ging das nochmal? Ich lächelte, wurde rot und sah verlegen zu Boden. Was für ein Mann! Meine Reaktion schien genau die richtige zu sein. Er nahm meine Hand und drückte sie kurz. Dabei sah er auf seine Uhr. »Ich finde es toll, dass wir uns getroffen haben«, sagte er und sah mir tief in die Augen. »Sollen wir noch bleiben oder gehen wir noch woanders hin?« – »Ach, ich find’s hier eigentlich sehr nett, wir könnten ja noch was bestellen«, sagte ich arglos, versuchte, locker zu wirken, und hoffte, dass er mir die Aufregung nicht anmerkte. Er hatte wirklich was, seine Augen waren wunderschön, und wenn er lachte, hatte er kleine Grübchen in den Wangen. Oder war das nur der Wein, der mir die Sinne vernebelte? Egal. Heute fand ich ihn schön und genoss seine Gegenwart. »Ich glaube, ich will nichts mehr. Es ist ja schon reichlich spät und ich hab morgen früh um halb neun ein Meeting, bei dem ich ausgeschlafen sein möchte.« Reichlich spät? Es war gerade mal elf. Warum dieser plötzliche Rückzug? War dieses »woanders hin« etwa ein Wink mit dem Laternenpfahl oder gar mit dem Strommast gewesen, dass er mit mir in die Kiste wollte? Sosehr ich das auch wollte, ich hatte mir nach dieser unglückseligen Aktion mit Alex Arg geschworen, dass ich es nie wieder beim ersten Date drauf ankommen lassen wollte. War er jetzt beleidigt? Er rief den Kellner und verlangte die Rechnung. »Äh, hab ich jetzt was nicht mitgekriegt? Wieso dieser plötzliche Aufbruch?« Ich war verwirrt. »Du, alles klar, ich merke nur gerade, mir ist der Wein nicht richtig gut bekommen. Und, wie gesagt, das Meeting morgen ist wichtig. Wir wiederholen das, ja?« Gottseidank hatte er diese vier Worte noch gesagt, sonst wäre ich komplett verdutzt gewesen. »Ja, sicher, gern, und dann vielleicht am Wochenende, wenn anderntags kein Meeting lauert …«, sagte ich scherzhaft und deutete pantomimisch ein Monster an. »Ja, richtig, so machen wir’s, wobei die nächsten Wochenenden schon ziemlich dicht sind.« Wieso jetzt das? Ich musste mir diesen Wortlaut ganz genau merken, schließlich galt es noch heute Nacht mit Connie zusammen zu analysieren, was er warum wie gemeint haben könnte. Der Kellner kam und ich zückte meinen Geldbeutel. Natürlich bezahlte Mathis, aber ich hätte es sehr unhöflich gefunden, zu zeigen, dass ich davon ausging. Komisch, da kämpften wir Frauen seit Jahrzehnten für die Gleichberechtigung, aber dennoch kannte ich keine, die es nicht mochte, wenn der Mann die Rechnung bezahlte beim Essengehen, jedenfalls beim ersten Mal, und es nicht liebte, wenn ihr in die Jacke geholfen und die Tür aufgehalten wurde (auch wenn es zugegebenermaßen manchmal schneller ging, wenn man es selbst machte). Draußen vor der Tür umarmte mich Mathis kurz und tätschelte meinen Rücken. Mich hätte es mehr gefreut, wenn er ihn gestreichelt hätte und ich hätte zurückstreicheln können. Aber so traute ich mich das auch nicht. »Also, wir bleiben in Kontakt, komm gut nach Hause!« Mir kam nur ein angestrengt fröhliches »Tschüss!« über die Lippen. Wie konnte er nur »Wir bleiben in Kontakt« sagen? Das war doch selbstverständlich, dass wir in Kontakt blieben! Das war so absurd, als würde Michael von Marianne und Michael nach einem Auftritt zu Marianne sagen: Wir bleiben in Kontakt. Schließlich fanden wir uns toll! Ich hatte es doch gespürt: Da war was zwischen uns. Ich musste umgehend mit Connie telefonieren. Wir winkten uns nochmal zu, dann war er verschwunden. Ich schloss mein Fahrrad auf und schob erstmal, weil ich nachdenken musste. Und das ging zu Fuß
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