Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
für sie womöglich nicht schön? Und wenn doch – mir kam ein entsetzlicher Gedanke, war es dann vielleicht nicht besser, wenn sie getötet worden wäre?
Sie, die Sie jetzt die Tonbänder abhören, werden mir sicher verzeihen, wenn ich mein Leben bei den Klansleuten von Felschraung nicht in allen Einzelheiten schildere. Ich verbrachte fünf Jahre bei ihnen. Ich wurde nicht älter. Durch Herausforderungen, Wahlen und Duelle stieg ich in der Hierarchie auf, obwohl mir gar nicht daran lag. Es ist eine erstaunliche und ernüchternde Tatsache, sich die Macht von zehntausend Kriegern vorzustellen, die einem Manne Obi erwiesen haben. Gegen Ende der fünf Jahre hatte jeder einzelne Klansmann von Felschraung mir Obi gegeben, entweder direkt als Ergebnis eines Zweikampfs oder durch die indirekte Methode, nach der ich mit aller durch das Obi bedingten Förmlichkeit als Herr und Meister anerkannt wurde.
Das alles bedeutete mir natürlich nichts. Im wesentlichen wurde mir das Obi durch die Umstände und durch mein Bestreben aufgezwungen, die eigene Haut zu retten. Ich wußte, warum ich leben wollte. Ganz abgesehen von meinem Abscheu vor dem Selbstmord, und trotz der Niedergeschlagenheit, die mich zuweilen überkam – wenn ich mein Leben freiwillig aufgab und Delia aus den Blauen Bergen womöglich noch lebte und mich brauchte, wie hätte ich mich dann auf den Ebenen des Nebels gefühlt?
Zu gewissen Zeiten, wenn die Sonne schien und wir im frischen Wind auf unseren Zorcas über die endlose Prärie ritten, hielt ich Delia für tot. Und an anderen Tagen, wenn der Regen uns und die Packtiere peitschte, die endlosen Wagenkarawanen über die Ebene rollten und die Wagen bis zu den Achsen im Schlamm versanken, stellte ich mir vor, daß sie vielleicht noch irgendwo am Leben war. Oft überlegte ich, daß sie vielleicht auf wundersame Weise wieder nach Aphrasöe, in die Stadt der Savanti, zurückgeholt worden war. Das wäre eine Tatsache gewesen, die ich verstehen und gutheißen konnte. Ich war aus dem Paradies verwiesen worden, weil ich ihr geholfen hatte, weil ich deshalb dieser Ehre nicht würdig war. Vielleicht hatten die Savanti ihr Urteil inzwischen revidiert. Durfte ich mich darauf freuen, die Schwingende Stadt eines Tages wiederzusehen?
Daß ich zehntausend wilde Kämpfer befehligte, war mehr ein Zufall.
Die Hauptwaffe des Reitervolks war der geschichtete Bogen. Auch ich lernte es, fünf Pfeile mit fünf Schüssen in das Auge eines Chunkrah zu setzen. Das Chunkrah war das Zuchtvieh der Klans – ein Wesen mit mächtiger Brust, ausladenden Hörnern, hitzigem Temperament und mit Fleisch, das gebraten köstlich schmeckte. Die Treffsicherheit mit dem Bogen war wichtig für mich, denn mehr als einmal, wenn meine Gegner durch Wahl bestimmt wurden, hatten mir Männer mein Obi mit dem Bogen abnehmen wollen. Auf dem Rücken eines Zorca oder eines Vove sitzend, hatte ich eine primitive Freude daran, meinen Gegner zu beschleichen, der wie ich lederne Jagdkleidung trug, ihn mit dem Bogen zu beschießen, seinen Pfeilen auszuweichen und meine Geschosse in seiner Brust zu versenken.
Was die Kriegführung anging, so hatten die Klansleute ein altes und gut durchdachtes System. Zwar verwendeten sie gelegentlich ihre mächtigen Chunkrahherden, um feindliche Palisadenmauern oder Wagenburgen zu durchbrechen, doch war dies im Grunde eine Verschwendung guten Chunkrahfleisches. Wenn nötig, kämpften sie aus einem Kreis eng zusammengefahrener Wagen heraus, doch am meisten liebten sie ihre Reittiere, den Vove und den Zorca. Als Klansmann teilte ich ihre Freude an so völlig verschiedenen Dingen wie ein Knie-an-Knie-Angriff in massiven Vove-Phalanxen oder ein offener Kampf auf dem Rücken der beweglichen und wendigen Zorcas, während unsere blitzenden Pfeile in die feindlichen Reihen zischten.
Für die erste Angriffswelle auf den Voves, die den Boden mit ihren mächtigen Hufen zum Erzittern brachten, setzten die Klansleute die lange, schwere Lanze ein, mit Eisen und Stahl verstärkt. Dann griffen sie nach ihren Äxten, die ihnen große Überlegenheit verliehen. Auch wurde oft das Breitschwert eingesetzt; doch eigentlich nur, wenn in der Hitze des Gefechts eine Axt verlorenging oder beschädigt wurde. Mit meiner Tomahawkerfahrung aus so manchem Enterkampf vermochte ich mich durchzusetzen. Doch hat eine Axt eine relativ kurze Schnittfläche, während ein zuschlagendes Schwert in der gesamten Länge seiner Klinge Wunden schlagen kann. Dennoch vermochte
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