Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
Schlag landen konnte. Er brach zusammen. Ein Ruf hinter mir ließ mich herumfahren. Ich duckte mich instinktiv, und die Kette fetzte einen riesigen Splitter aus der Bordwand des Bootes. Ohne zu zögern stellte ich mich dem letzten Rapa.
Er wartete mit kreiselnder Kette.
Sein geschnäbeltes Gesicht starrte mich verzweifelt an; er ahnte, daß das Spiel aus war – doch wenn er mich besiegte und in den Hauptkanal rudern konnte, war ihm die Flucht gelungen – mit einer Menschenfrau als Geisel. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Ich versuchte ihn zu täuschen, und die Kette zischte los. Ich sprang zurück.
»Menschlicher Abschaum!« Sein kollerndes Krächzen, das mir unangenehm in den Ohren klang, beruhigte mich seltsamerweise, verlangsamte den wilden Schlag meines Herzens. Ich musterte ihn. Mit der Kette konnte er mir glatt einen Arm oder ein Bein brechen oder mich erwürgen, ehe ich an ihn herankam. Ich ging ein wenig in die Knie und stellte mich fest auf die Bodenbretter, die bereits unter Wasser standen. Sicher hatte er nicht meine Erfahrungen mit Booten und unsicheren Decksplanken. Ich begann das kleine Fahrzeug in schaukelnde Bewegung zu versetzen.
Er riß die Arme hoch. Die Kette fuhr wild herum. Die Frau hielt sich mit beiden Händen am Querholm fest. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, denn sie trug einen dichten Schleier aus grüner Seide. Wild schwang ich das Boot hin und her. Der Rapa taumelte, gewann das Gleichgewicht wieder – und wurde schon in die andere Richtung gerissen. Mit jeder Bewegung schwappte Wasser über die niedrige Bordwand.
Mit einem Schrei der Wut und Verzweiflung ließ der Rapa schließlich seine Kette fallen und beugte sich vor, um sich an der Bordwand abzustützen. Mit einer letzten heftigen Beinbewegung kippte ich ihn aus dem Boot. Er flog in hohem Bogen hinaus und landete mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Es schäumte herrlich, doch ich lachte nicht. Ich konnte den armen Teufel in seiner Verzweiflung verstehen.
Ich brachte das Boot hastig wieder in Ruhelage und griff nach den Rudern. Der Rapa trieb davon. Ich wandte mich an die Frau.
»Also, mein Mädchen«, sagte ich rauh. »Alles in Ordnung. Dir ist nichts geschehen.«
Ich wollte nicht, daß sie jetzt noch in Panik geriet und womöglich das Boot zum Kentern brachte.
Sie betrachtete mich durch den Augenschlitz ihres Schleiers und rührte sich nicht. Ich stand über ihr, meine nackte Brust hob und senkte sich von der Anstrengung des Kampfes, Wasser und Schweiß liefen mir über die Schenkel, an denen sich die Muskeln hart abzeichneten.
Sie trug ein langes grünes Kleid, ohne jeden Schmuck. Über dem grünen Schleier saß eine Art Dreispitz aus schwarzer Seide mit einer geschwungenen grünen Feder. Ihre Hände stecken in weißen Handschuhen. Drei Finger waren über den Handschuhen mit Ringen geschmückt – ein Smaragd, ein Rubin und ein Saphir. Das mußte ein wohlhabendes Vögelchen sein, das mir da zugeflogen war.
Ich begann zum Pier zurückzurudern. Dabei überlegte ich, wie ich meine geöffnete Sklavenkette erklären konnte.
Die Frau hatte kein Wort gesagt. Sie saß so still da, daß ich schon annahm, sie müsse einen Schock erlitten haben.
Als wir den Pier erreichten, stand sie auf und streckte einen juwelengeschmückten Fuß vor. Ich hob die offene Hand, und sie stellte den Fuß hinein und ließ sich von mir auf den Pier heben wie von einem Fahrstuhl in den riesigen Pflanzenstämmen des fernen Aphrasöe.
Ich wurde von einer Sorge befreit, als ich einen Rapawächter im Wasser schwimmen sah; eine Kette war um seinen Hals geschlungen, sein breiter, geschnäbelter Kopf war seltsam verdreht. Er war ein Deldar, ein Kommandant über zehn Wächter – der sechste Wächter an Bord unserer Barke.
Ich kletterte auf den Pier.
Die Frau war von einer aufgeregten Gruppe buntgekleideter Wächter und Edelleute umgeben. Von Sklaven war nichts mehr zu sehen. Der Pier und die Stufen waren von Blut gerötet.
»Prinzessin!« riefen die Stimmen durcheinander. Und: »Wir dachten, deine kostbare Gegenwart würde uns genommen!« Und: »Gelobt sei der mächtige Zim und der dreimal mächtige Genodras, daß du am Leben bist!«
Sie wandte sich um und sah mich mit erhobenem Kopf an; ihr Gewand umgab sie starr wie ein Zelt, ihre juwelengeschmückten Füße waren darunter verborgen. Sie hob eine weißumhüllte Hand, und der Lärm erstarb.
»Dray Prescot«, sagte sie und erstaunte mich damit über alle Maßen. »Ich erweise dir die Gnade,
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