Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
rief er und packte seinen linken Arm, als sei er gebrochen. »Beim Großen Diproo – ich verrate euch nicht! Ich wage es nicht!« Und er warf sich über die Reling. Wer von meinen Männern nicht schwimmen konnte – bei den Klansleuten keine Seltenheit, denn nur wenige übten in den einsamen Tümpeln der Sumpfgebiete im Norden –, hatten einen Holzbalken bei sich. Alle sprangen nun ins Wasser und begannen auf das entfernte Ufer zuzuschwimmen. Dort hing dann alles von Nath ab.
Ich blieb zurück, wie es sich für einen Vovetier, einen Zorcander gehörte. Der erste Krieger eines Klans wird Anführer genannt. Wenn zwei oder mehr Klans unter einem Manne vereinigt werden, darf er den Namen Vovetier und Zorcander annehmen, Ableitungen von den Reittieren der Klans. Und für einen solchen Mann wird das genommene Obi zu einer noch größeren Verantwortung. Ich wartete also, bis alle meine Männer sicher von Bord waren.
Sie hatten ihre Ketten fortgeworfen; ich hielt meine Fessel noch zwischen den Fäusten, zum Sprung bereit.
Unser Kahn rührte sich nicht mehr von der Stelle; er ruhte mit hochgerecktem Bug an der Steuerbordflanke der Rapabarke. Der Kanal war an dieser Stelle flach, und unsere Marmorlast ragte noch etwa vier Fuß über das Wasser. Ich hockte auf einem Block zwischen zwei anderen Steinen und wartete ab.
Das wilde Geschrei und das Geklirr von Schwertern und Speeren ließ darauf schließen, daß die Wächter Verstärkung bekommen hatten und sich nun daran machten, die Sklaven niederzumetzeln – was den Soldaten sicher sogar Spaß machte. Darum konnte ich mich aber nicht kümmern; meine Verantwortung galt meinen Männern.
Der Lärm verstärkte sich noch. Vielleicht waren die Sklaven doch nicht so einfach zu bezwingen. Ich wagte einen Blick um die Marmorkante und sah das Sonnenlicht, das schräg auf den Pier brannte, sah die Wächter und Rapasklaven, die sich ein wildes Gefecht lieferten. Eine Eisenkette ist als Waffe nicht zu unterschätzen, besonders wenn sie mit dem Mute der Verzweiflung geschwungen wird.
Ich sah drei Männer, die eine Frau in ein kleines Boot an der Kaimauer luden. Offenbar waren sie dort vom Angriff der Sklaven überrascht worden und kamen nun nicht mehr fort. Der Kanal war ihre letzte Chance. Das Boot legte ab, schwang herum und stieß mit der ersten Barke zusammen. Eine herabwirbelnde Kette traf den Ruderer am Kopf und ließ ihn blutend zusammensinken. Die Frau schrie auf. Der zweite Mann packte die Ruder; doch der Tote behinderte ihn. Das kleine Boot tanzte an der Flanke der Barke entlang. Eine Gruppe Sklaven sah ihre Chance.
Mit krächzenden Schreien sprangen sie auf die Marmorblöcke ihres Bootes und von dort in das kleine Boot herab, das wild im Wasser zu tanzen begann. Die beiden Männer und ihr toter Freund wurden kurzerhand über Bord geworfen. Zwei Rapas ergriffen die Ruder, zwei duckten sich mit wirbelnden Ketten im Heck, während ein fünfter die Frau um die Hüfte packte und sie an sich drückte. Dabei hielt er sie in die Höhe, damit sie vom Pier aus deutlich zu sehen war.
Seine Absicht war klar.
»Laßt uns frei!« rief er schrill. »Sonst stirbt die Frau!«
Verwirrte Rufe wurden über dem Schlachtlärm laut.
Die Schreie gellten mir in den Ohren und machten mich nervös. Ich dachte an meine Männer, die auf mich warteten. Ich dachte an Delia. Ich weiß nicht mehr, was ich dachte.
Ich wußte nur, ich konnte nicht zulassen, daß eine völlig unbeteiligte Passantin auf so sinnlose Weise getötet wurde. Wenn Sie mich fragen, wie ich gehandelt hätte, wenn es sich um menschliche Sklaven gehandelt hätte, die den Körper einer verhaßten Aristokratin als Deckung benutzten – ich weiß die Antwort nicht.
Geräuschlos sprang ich von der gesunkenen Barke auf das kleine Boot hinüber. Ich versuchte Leben zu schonen und warf die beiden Ruderer über Bord. Die beiden Rapas am Heck richteten sich auf; ihre Ketten zischten drohend durch die Luft.
»Sklave – stirb!« brüllten sie. »Fort mit dir – Mensch!«
Ohne den Antrieb dieses Gebrülls hätte ich vielleicht nicht so heftig gekämpft. Meine Kette fegte durch die Luft und zerschmetterte einem den Schnabel; das Wesen gurgelte und sank zusammen. Die Kette des zweiten unterlief ich und zog meine eigene Waffe so schnell hoch, daß ich dabei fast das Gleichgewicht verlor. Die Kette wickelte sich um den unglaublich dünnen und langen Hals. Ich zerrte daran, und der Rapa taumelte auf mich zu, so daß ich einen treffsicheren
Weitere Kostenlose Bücher