Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
Alkoven.
Kettenhemden waren eine seltene und wertvolle Rüstung in Segesthes; die Männer trugen üblicherweise Arm- und Beinschützer und Brust- und Rückenpanzer, die meistens aus Bronze und nur selten aus Stahl bestanden. Das Ideal des segesthischen Kriegers war der Angriff – immer nur der Angriff.
Heute abend sah die Prinzessin unglaublich liebreizend aus; gerade stieg der erste kregische Mond am topasfarbenen Himmel auf. Zur Abwechslung trug sie kein langes grünes Gewand, sondern ein golden schimmerndes Kleidungsstück, das ihre Figur hervorragend zur Geltung brachte. Sie lächelte mich an und streckte die Arme aus.
»Dray Prescot!« Ihr juwelengeschmückter Fuß stampfte auf den Boden, doch nicht im Zorn. Eine seltsame Veränderung war mit ihr vorgegangen, die Aura der Überlegenheit war von ihr abgefallen, so daß sie mir lieblicher vorkam als je zuvor. Sie gestattete mir, daß ich mich wieder erhob, und hieß mich zu meinem Erstaunen neben ihr Platz nehmen. Dann schenkte sie mir Wein ein.
»Du hast gesagt, ich würde eine interessante Sklavin abgeben«, flüsterte sie und senkte den Blick. Mir war sehr unbehaglich zumute. Der verflixte Schwertkämpfer fehlte, das Schränkchen war leer, und ich hatte ihn, so unglaublich sich das anhört, als eine Art Tugendwächter liebgewonnen.
Meine Beziehung zu Natema hatte sich entwickelt, ohne daß ich es recht gewahr geworden war; doch sie schien anzunehmen, daß mich ihre Schönheit in den Bann geschlagen hatte und ich nur von dem Gedanken an eine tödliche Strafe zurückgehalten wurde. Sie war bereit, diesen Mangel zu übersehen. Viele Männer waren für sie gestorben, das wußte ich. Ihr Verführungsritual lief mit großer Perfektion und Selbstverständlichkeit ab, die Routine einer Pythonschlange, die ihre Beute verschlingt. Ich wehrte mich, denn obwohl sie eine herrliche Frau war und ihre Gunst sicher auf subtile Art zu verschenken wußte, konnte ich nur an Delia denken. Damit will ich mir nicht etwa eine übermenschliche Selbstbeherrschung zuschreiben; viele Männer werden mich wahrscheinlich für einen Narren halten, weil ich nicht an den Honig gegangen bin, solange die Blüte noch offenstand. Doch je weiter ihre leidenschaftlichen Avancen gingen, desto mehr stieß sie mich ab.
Wie die Sache ausgegangen wäre, wage ich mir nicht vorzustellen.
Smaragdketten klirrten an ihrem weißen Hals und umgaben ihre nackten Arme, als sie nun auf dem Boden vor mir lag, mir schamlos ihr tränenüberströmtes Gesicht zuwandte. Leidenschaft erfüllte sie.
»Dray! Dray Prescot! Ich kann deinen Namen nicht aussprechen, ohne zu zittern! Ich will dich – nur dich! Ich würde deine Sklavin sein, wenn das möglich wäre – alles, was du willst, Dray Prescot – du brauchst es nur zu sagen. Nur, nimm mich. Weis mich nicht zurück. Nimm mich!«
»Zwischen uns gibt es nichts, Natema!« sagte ich leise.
Sollte sie mich doch umbringen – ich wollte mit dieser parfümierten, verdorbenen Frau nichts zu tun haben!
Sie riß sich das goldene Kleid vom Leib und streckte mir flehend und schluchzend die Arme entgegen.
»Bin ich denn häßlich, Dray Prescot? Gibt es eine zweite Frau in Zenicce, die so schön ist wie ich? Ich brauche dich – ich will dich! Ich bin eine Frau, du ein Mann – Dray Prescot! Uns steht nichts im Wege. Warum zögerst du?«
Ich wich zurück und spürte – das muß ich offen zugeben –, wie meine guten Vorsätze allmählich ins Wanken gerieten. Ihr entblößter Körper, der sich mir wollüstig darbot, verfehlte seine Wirkung natürlich nicht. Sie lag mir zu Füßen, all ihre Verachtung, ihr Spott waren verschwunden – und an ihre Stelle war ein hübsches, verzweifeltes Mädchen mit verwuscheltem Haar und tränenüberströmtem Gesicht getreten, das mich um meine Liebe bat, mich anflehte, daß ich mit ihr schlief. O ja, ich hätte fast nachgegeben – schließlich war ich im Innern nach wie vor ein einfacher Seemann und ausgehungert wie nach einer Weltumsegelung. Ich hätte können ...
»Ich habe dich beobachtet, Dray, oh, sehr oft! O ja! Ich habe gegen meine Sehnsüchte angekämpft, gegen meine Leidenschaft, und dabei ist mir fast das Herz gebrochen. Aber ich kann nicht länger widerstehen.« Sie kroch flehend hinter mir her. »Bitte, Dray, bitte!«
Konnte ich ihr glauben? Die Worte gingen ihr eine Idee zu glatt von den Lippen, wie Worte, die einstudiert sind und gegen ein Gefühl gesprochen wurden, als wiederholte sie sie aus bestimmtem Grund. Und
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