Dray Prescot 03-Der Schwertkämpfer von Scorpio
Worte heraus. »Dies ist der Gefangene! Beim schneeblinden Feisterfeelt – ich schwör's!«
»Es muß noch jemand hier sein, Rast! Ein Mädchen – das hübscheste Mädchen, das es gibt. Wo steckt sie?«
Er schüttelte schwach den Kopf, und sein Mund verzog sich vor Angst. Das rote Haar hing ihm wirr bis auf die Schultern.
»Hier ist niemand sonst!«
Ich schleuderte ihn zu Boden, und mein Schwert schlug wie ein Risslaca zu; doch im letzten Augenblick drehte ich die Klinge, so daß ihn die Flachseite am Kopf traf und er bewußtlos zu Boden sank.
»Du gehörst nicht zu den Ullars, Jikai.« Der alte Mann hatte sich aufgerichtet und rückte die Lumpen zurecht, die er am Körper trug. Im unruhigen Licht der hingefallenen Fackel blitzten seine Augen dunkel in der runzligen Landkarte seines Gesichts. Er hatte eine lange, schmale Nase, praktisch keine Lippen und rotes Haar, das noch nicht angegraut war.
»Hast du noch einen anderen Gefangenen gesehen, alter Mann, ein wunderschönes Mädchen?«
Er schüttelte den Kopf, und ich fragte mich, warum ihm bei dieser Bewegung nicht das Genick quietschte.
»Ich bin hier allein, ich, Lu-si-Yuong. Hast du eine Möglichkeit, aus diesem verflixten Turm zu fliehen, Jikai?«
»Ja. Aber ich gehe nicht ohne das Mädchen!«
»Dann mußt du ewig hierbleiben.«
Obwohl sich die Gedanken in meinem Kopf überstürzten, ahnte ich in diesem Augenblick, daß ich Delia hier wirklich nicht finden würde.
»Bist du schon lange gefangen, alter Mann?«
»Ich bin Lu-si-Yuong, und du nennst mich San.«
Ich nickte. Die Anrede San war überliefert und bezeichnete einen Meister oder Weisen. Dieser Vertreter der Zauberer aus Loh hielt sich nicht nur für wichtig, sondern war offenbar tatsächlich eine bedeutende Persönlichkeit. Ich habe nichts gegen einen Titel, wenn er wirklich verdient geführt wird.
»San, beantworte mir bitte eine Frage: Weißt du etwas von einem Mädchen, das von Umgar Stro gefangen und in diesen Turm gebracht wurde?«
»Von den Gefangenen bin ich als einziger noch am Leben. Die Ullars kennen die Fähigkeiten der Zauberer von Loh, und sie wollten mich für ihre Zwecke einspannen. Alle anderen Gefangenen wurden umgebracht.«
Ich, Dray Prescot, hörte die geflüsterten Worte des alten Mannes, die meinen Hoffnungen ein jähes Ende setzten.
Ich wollte ihn bedrängen, ihm einen Widerruf abringen, ich wollte seinen faltigen Hals mit beiden Händen umschließen und ihn die ersehnten Worte sagen hören. Offenbar entging ihm meine innere Erregung nicht, denn er sagte: »In dieser Sache kann ich dir nicht helfen, Jikai – doch ich kann dich in ... anderer ... Beziehung unterstützen, wenn du mich rettest ...«
Im ersten Augenblick brachte ich kein Wort heraus. Meine Delia konnte doch nicht brutal getötet worden sein! Das ergab keinen Sinn – wer löschte rücksichtslos solche Schönheit aus?
San Yuong bückte sich ungeschickt nach der zischenden Fackel und flüsterte: »Unten wird heute abend gefeiert. Es sind viele Männer – wilde, kühne Barbaren des Himmels. Sie zu überwinden, Jikai, ist eine übermenschliche Aufgabe ...«
»Aber wir gehen nach oben«, sagte ich kurzangebunden. All meine Instinkte standen im Widerstreit, erfüllten mich mit Unentschlossenheit, Zweifeln und einer wilden, sinnlosen Wut. Sie mußte hier sein! Es gab keine andere Möglichkeit! Doch alle Anzeichen sprachen dagegen. Dieser Zauberer – warum sollte er lügen? Es sei denn, er wollte mich dazu bringen, daß ich ihn rettete!
Ich sah ihn an. Er hatte sich aufgerichtet, so daß das Licht der Fackel auf seine hageren Züge fiel, auf die dunklen Augen, die lange, dünne Nase und den fast lippenlosen Mund. Ich wußte von dem Entsetzen und der abergläubischen Ehrfurcht, mit denen das einfache Volk den Zauberern von Loh begegnete.
Tatsächlich umgab ihn eine Kraft, eine seltsame Aura, die niemand übersehen konnte. Schon oft haben die Zauberer von Loh Taten vollbracht, die jeder normale Mensch für unmöglich halten würde, und ihre Geheimnisse sind mir ein Buch mit sieben Siegeln. Sie verlangen unbedingten Gehorsam vom einfachen Volk – das, Zair sei gelobt, auch viele kritische Seelen zählt –, und den Hochstehenden im Lande begegnen sie mit einer Art wachsamer, zynischer, amüsierter Toleranz. So konnte Umgar Stro diesen alten Mann foltern, um seine Mithilfe zu erzwingen, und seine Männer schüttelten vielleicht die Köpfe darüber – doch da sie Barbaren waren, reagierten sie anders als
Weitere Kostenlose Bücher