Dray Prescot 03-Der Schwertkämpfer von Scorpio
mehr wird sich der Unwille in mir anstauen, um so mehr Zeit habe ich, mir Mittel und Wege zu überlegen, ihn zum Reden zu bringen.«
Seg wandte den Blick ab.
Lu-si-Yuong begann zu zittern. Seine hageren Schultern bebten, sein dürrer Körper schwankte, und langsam nahm er die Handflächen vom Gesicht. Seine Augäpfel waren verdreht und zeigten das Weiße, und er hatte praktisch zu atmen aufgehört.
»Lupu«, sagte ich. »Ist das Lupu?«
»Aye, Dray, das ist der Lupu-Zustand. Er hat Visionen. Wer kann sagen, wo sich sein Geist jetzt umsieht ...«
»Nimm dich zusammen, Seg!«
In Seg Segutorio waren die übersinnlichen Eigenschaften seiner Rasse angesprochen, die dunklen und verborgenen Überlieferungen.
Als der Mondschein auf das hagere Gesicht fiel und die blinden Augen zu gelben Abgründen wurden, sah ich mich auf der Lichtung um und betrachtete die drei Corths, die sich unruhig das Gefieder zupften – und ich erkannte, wie wenig ich eigentlich über Kregen wußte.
Ein gurgelnder Schrei drang aus Yuongs Kehle. Sein Zittern hörte auf. Schwankend richtete er sich auf. Er spreizte die Finger und breitete die Arme aus. Er taumelte wie eine sturmzerzauste Vogelscheuche hin und her, wie ein tanzender Derwisch kurz vor dem Zusammenbruch. So abrupt, wie er begonnen hatte, beendete er den Tanz, nahm wieder eine besinnliche Haltung ein, legte die Hände flach auf den Boden und öffnete die Augen.
»Und hast du in die Zukunft geblickt, alter Mann?« fragte ich.
»Dray!« Segs Entrüstung berührte mich nicht.
San Yuong sah mich an. Er schien noch nicht recht zu wissen, was er von mir halten sollte; offenbar war ich anders als die Menschen, mit denen er sonst zu tun hatte. Ich mußte damals noch in einer Art Schockzustand gewesen sein, in dem es mir ziemlich gleichgültig war, was ich tat oder sagte. Jedenfalls behandelte Yuong mich mit Vorsicht. Dafür war ich ihm später sehr dankbar; damals zuckte mir nur der Gedanke durch den Kopf, daß ich wohl wieder meine Teufelsmaske aufgesetzt hatte – ein Gedanke, der mir in meinem Kummer und Schmerz auch noch Freude machte, Zair möge mir verzeihen!
»Die Zukunft kümmert mich im Augenblick nicht, mein Freund. Ich werde dir zu passender Zeit noch für meine Rettung danken. Ich habe nur festgestellt, wie Königin Lilah mich empfangen wird ...«
»Sie gibt dir nicht die Schuld an der Niederlage ihrer Armee«, sagte ich. »Wenigstens hat sie dich in diesem Zusammenhang nicht erwähnt – sie hat überhaupt nicht von dir gesprochen.«
»Kein Wunder.«
»Was hast du entdeckt, San?« fragte Seg.
»Die Königin braucht in der bevorstehenden Zeit meinen Rat. Aber sie war seltsam entrückt und kalt. Es gibt da eine Frau, eine andere Frau, mit der sie erbittert gekämpft hat ...«
»Thelda!« rief Seg und starrte mich entsetzt an.
Ich horchte auf. Hatte dieser Mann tatsächlich sehen können, was jetzt in Hiclantung geschah? Unmöglich! Aber bedenken Sie, daß ich damals noch jung war und mich in kregischen Dingen wenig auskannte – und schon gar nicht mit den Fähigkeiten der Zauberer von Loh.
»Die Königin hat diese Frau gefangengenommen, diese Thelda, und sie weint um ihren Liebsten.« Yuong neigte den Kopf, so daß seine kecke Nase über meine rechte Schulter wies. »Ob sie wohl von dir träumt, Jikai?«
»Wenn das der Fall ist«, sagte ich, »tut sie das ohne meine Erlaubnis.«
»Seit wann braucht ein Mädchen eine Erlaubnis, wenn sie sich nach einem Mann sehnt?«
Ich wollte dieses Gespräch nicht fortsetzen, nicht, solange Seg uns zuhörte. Ich ging zu meinem Corth und inspizierte Sattel und Zügel.
»Wir wollen weiterfliegen«, sagte ich. »Wenn Königin Lilah Thelda ins Gefängnis geworfen hat, müssen wir sie befreien. Das sind wir ihr schuldig.«
Seg sprang in den Sattel. Seine Faust packte den Zügelknoten, während sich die andere Hand vergewisserte, daß der Langbogen griffbereit hing und die Federn des Pfeilköchers hinter seinem rechten Ohr emporragten.
Ich erkannte die Ironie der Situation – die gefährliche Umkehrung aller Dinge, die mir teuer waren: Ich war losgezogen, um meine Delia aus den Klauen eines bösartigen Ungeheuers zu befreien, und eilte nun zurück, um eine aufdringliche Frau zu befreien, die sich mit ihrer Geilheit und sinnlosen Eifersucht selbst in diese mißliche Lage manövriert hatte.
Oh, wie sehr hätten meine Klansleute über diesen Witz gelacht.
Als wir starteten, sah ich mich um, wie ich es schon auf der Erde stets zu tun
Weitere Kostenlose Bücher