Dray Prescot 03-Der Schwertkämpfer von Scorpio
zerrte und meine Augen und Wangen zu sticheln schien.
Näher ... näher ... wollte sich der Corth denn nicht endlich aufbäumen?
In diesem Augenblick reagierte der Vogel endlich auf mein heftiges Rucken an den Zügeln und flatterte hastig mit den Riesenflügeln. Der Körper richtete sich in der Luft auf und entblößte seine Unterseite; Beine und Krallen zuckten nach vorn und nach unten. Das Trapez knallte gegen das Dach, und ich ließ mich nach vorn fallen und rollte über die Schulter ab.
Während ich auf den unvorstellbaren Abgrund zurollte, flatterte der Corth wild auf der Stelle, ohne zu landen, und zog dann davon. Der dritte Corth, der durch einen Zügel mit meinem Sattel verbunden war, folgte ihm, und die beiden Vögel verschwanden. Ich hoffte, daß Seg die Zügel zu packen bekam.
Die Kante des Schrägdaches kam mit erschreckender Geschwindigkeit auf mich zu. Wenn ich abstürzte, gab es gar nichts mehr – keine Delia, kein Vallia, kein Aphrasöe ...
Meine Hand knallte schmerzhaft gegen eine eiserne Spitze. Meine Finger krümmten sich darum und packten instinktiv zu. Und dann hing ich mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Dach, vom Wind umtost, und sah ringsum nur schwache, sternendurchsetzte Schatten.
Nach einer Weile war ich wieder soweit bei Atem, daß ich mich in eine weniger verkrampfte Stellung hochziehen konnte. Die Falltür, die für Dacharbeiten als Ausstieg diente, hielt meiner Schwertklinge nicht stand. Ich ließ mich mit gekrümmten Beinen hinabfallen, das Schwert in der Hand. Staub, Spinnweben, Gerümpel ...
Ich fand eine Leiter, die nach unten führte, und stieg vorsichtig hinab. Dabei begann ich mich über die Ruhe zu wundern, die hier herrschte.
Bis jetzt hatten sich Naghans Informationen als richtig erwiesen. Doch ins Innere des Turms war er nicht vorgedrungen, so daß ich es ab sofort mit unbekannten Gefahren zu tun hatte. Doch für mich, Dray Prescot, ist das nichts Ungewöhnliches.
Ich glaubte in der Luft der Turmkammer noch einen schwachen Rapageruch wahrzunehmen. Ich tastete mich weiter und glitt in der Dunkelheit von einer schwach brennenden Fackel zur nächsten. Verzweifelt versuchte ich mir einzureden, daß meine Mission nicht vergeblich gewesen war. Doch ich hatte das Gefühl, als sei der Turm verlassen – doch dann erstarrte ich.
Vor mir ertönten Stimmen, die sich gelassen unterhielten – und ich war sofort hellwach. Vorsichtig näherte ich mich den beiden Ullarwächtern.
»Bei der violetten Scheiße des schneeblinden Feisterfeelt! Ich schwöre dir, mein Hals ist trockener als die ausgedörrten Südländer! Nath! Bring mir einen Löffel von dem Chremson!«
Es waren Ullars – die rauhen, widerhallenden Stimmen von Männern, die es gewöhnt waren, auf dem Rücken ihrer Impiter zu sitzen und durch den Wind zu brüllen. Aber der Name – Nath!
»Aye«, antwortete das Wesen, das Nath hieß. »Und ich halte mit, Bargo! Du wirst als erster mit den Füßen voran hinausgetragen!«
Im Halbdämmer kroch ich näher. Der Wachraum lag in einem kreisförmigen Anbau am Turm, aus dem die Wächter einen ungehinderten Ausblick nach allen Himmelsrichtungen hatten. Das Schwert in meiner Hand zitterte nicht. Das Gluckern von Wein, der aus einer Lederflasche geschüttet wurde, beruhigte mich.
»Daß wir hier Wache schieben müssen, ist ein Pech, mein armer Dom!« Neues Gluckern. »Seit wir aus Ullardrin fort sind, habe ich keine Plünderung verpaßt ...«
»Ich auch nicht, Bargo. Ich auch nicht.«
Wieder wurde getrunken, dann ertönte ein lautes Rülpsen. Ich kauerte längs hinter der Ecke, bereit, durch die halb geöffnete Lenktür zu stürmen. Ich konnte einen von den beiden erkennen; ich sah seinen gedrungenen Kopf mit dem indigoroten Haar und dem eckigen Mund, der sich um den gehobenen Weinkrug schloß. Der Griff eines Schöpflöffels bewegte sich auf und nieder – der andere Ullar trank unentwegt. Die beiden waren sehr menschenähnlich, um einiges menschenähnlicher als die Rapas, die sie aus diesem Turm und aus der Stadt vertrieben hatten. Sie trugen Lederkleidung, die mit Bronze und Kupfer besetzt war, und als ich mich näher heranschob, um beide im Blick zu haben, sah ich, wie ähnlich sie uns waren – wilde, kriegerische Gestalten, Eroberer und Herren der Lüfte. Beide hatten an der Hüfte ein raffiniert verknotetes Bündel aus Lederschnüren, und obwohl ich damals noch wenig über dieses Volk wußte, ahnte ich, daß es sich hier um den Clerketer handelte, ein
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