Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
liebte es, sich auf das Bugspriet unter das Klüversegel zu legen und zuzusehen, wie das Wasser gegen den runden Bug prallte und weiß zur Seite schäumte. Die Dram Constant pflügte sich förmlich durch das Meer.
Tilda ermahnte mich und den Jungen ständig, Pando möge doch unter Deck gehen, wo es sicherer sei. Nachdem ich ihm ein paar kleine Tricks des Seemannsberufes gezeigt hatte, machte ich mir weniger Sorgen um ihn. Trotzdem war die ganze Reise anstrengend, weil wir auf ihn aufpassen mußten.
Wahrscheinlich wollte sie ihn von der Seefahrt und dem Schiff ablenken und an einem Ort festnageln, als sie vorschlug, ich solle ihm doch den Umgang mit dem Rapier und dem Dolch beibringen. Tatsächlich war er in einem Alter, da er sich mit diesen Dingen befassen mußte.
Ein großer Jiktar und Hikdar wären zu schwer für ihn gewesen; doch wir konnten uns zum Glück einige Übungswaffen von einem der jungen Herren leihen, die an Bord der Dram Constant mitfuhren, um das Offizierspatent zu erwerben. Mit diesen Waffen nahm ich Pando tüchtig ins Gebet – Abwehr und Vorstoß, Riposten, Paraden, Finten von Main-Gauche und Rapier, die verschiedenen Taktiken des Schwertkampfes – der Doppelstoß, der Herzstoß, der Schenkelbremser, die Blume, die Halsriposte – bis er schweißüberströmt und schlaff wie eine Mondblume in einer mondlosen Nacht vor mir stand. Manchmal sah uns Tilda zu, und wenn der Junge schlappzumachen drohte, sagte sie scharf: »Mach weiter, Pando, mach weiter! Du tust jetzt Männerarbeit! Wehr dich!«
Die Seefahrt war nicht jedermanns Geschmack. Der arme Inch opferte einen Großteil seines Essens über die Reling, während Tilda und Pando schnell Seebeine entwickelten.
Ich selbst fühlte mich vom Leben an Bord eines Schiffes belebt; ich saugte die Seebrise ein wie ein alter Jagdhund, der eine Fährte wittert. Der Himmel schimmerte über uns, einige Wolkenfetzen segelten im Wind dahin, der das Schiff vorwärtstrieb; all unsere Fahnen und Banner knatterten, die Segel wölbten sich ächzend, bewegten sich mitsamt ihren farbenfrohen Symbolen. Wir schoben uns durch das Meer und hinterließen ein breites Kielwasser aus weißem Schaum. Ja, eine Zeitlang konnten wir die Tage genießen. Ich wußte, daß ich eines Tages wieder bei meiner Delia sein würde, aber zuerst mußte ich Tilda und Pando ans Ziel bringen – den kleinen Burschen, der Kov von Bormark war.
Tilda hatte Pando nicht erzählt, wer er in Wirklichkeit war – das behielt sie sich für später vor. Ich hielt das für eine kluge Entscheidung.
Plangemäß ankerten wir in Nord-Erthyrdrin, nahmen frische Vorräte und Wasser an Bord und brachten einen Mann an Land, der gestürzt war und sich das Becken gebrochen hatte. Wir teilten uns die Hafenanlagen mit Schiffen aus anderen pandahemischen Nationen, ohne daß es zu Auseinandersetzungen kam. Ich starrte zu den schroffen Bergen empor, die zur Küste hin steil abfielen. Dort oben in den Tälern lag die Heimat Seg Segutorios. Ich konnte dieses Land aufsuchen. Ich kannte den Weg, den er mir oft beschrieben hatte. Aber ich hatte ein Versprechen gegeben. Ich schwor mir, daß ich dieses Land eines Tages besuchen würde, um seine Angehörigen zu grüßen, als hätte ich sie seit Jahren gekannt. Aber meine Ehre und Integrität – soweit es sie gibt und sie etwas bedeuten – waren Tilda und dem jungen Kov verpflichtet. Ja, eines Tages würde ich durch die Berge und Schluchten dieses Landes wandern.
Wir unterhielten uns über die erzwungene Freundschaft der verschiedenen pandahemischen Länder in Erthyrdrin-Häfen, und ich hörte weitere Einzelheiten über die Scheußlichkeiten, die sich von Zeit zu Zeit ereigneten. Da war die Rede von Massakern und gegenseitigen Vernichtungsfeldzügen, es gab Berichte von erbitterten Kämpfen, während schon die Vallianer als lachende Dritte die Beute an sich nahmen. Ich begann die verschiedenen Symbole und Merkmale der einzelnen pandahemischen Nationen zu unterscheiden. Und bei all dem Gerede von Differenzen und Stammeskriegen begann ich mich zu fragen, ob die Herren der Sterne mir hier nicht eine neue Aufgabe stellten.
Als unsere Armada ihren Weg fortsetzte und Kurs Südosten nahm, lehnte ich mich auf die Backbordreling und blickte zurück. Dort draußen, jenseits der schimmernden See, lag Vallia ...
Während ich verträumt über das Wasser starrte, hörte ich plötzlich einen rauhen Schrei. Ich blickte auf. Im Mischlicht der Zwillingssonne kreiste ein riesiger Vogel,
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