Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
stürzen, als Viridia, die sich bei der ersten Sichtmeldung nicht gerührt hatte, an Deck kam.
»Los, ihr Hunde!« brüllte sie in alter Wildheit. »Prescot, du Calsany! Laß deine dummen Varters schießen! Verdien dir deinen Anteil! Knüppelt mir den dicken Ponsho nieder und spart das Blut meiner Männer!«
»Aye! Aye!« Mehr brachte ich nicht heraus, ehe ich mich über die nächste Varter beugte. Die Waffe war gespannt, und ein Felsbrocken von Voskschädelgröße lag im Schlitten.
Ich betätigte den Auslöser, als das Schwertschiff von einer Welle angehoben wurde.
Der Stein fand sein Ziel. Jubelgeschrei ertönte, als sich der Hauptmast des Argenters zur Seite lehnte und in einem wilden Durcheinander von Takelage und Segeltuch ins Kielwasser stürzte.
Danach war die Sache nur noch ein Aufräumen.
Wir erbeuteten Gewürze, Stoffe, große Krüge mit pandahemischen Waren, Juwelenkisten, Waffen und Schmuckstücke und Dutzende von Amphoren. Kostbare Weine verschiedener Sorten wurden von der fröhlichen Mannschaft und den verängstigten Passagieren an Bord geschleppt, die jetzt unsere Gefangenen waren.
»Wir können das Ding notdürftig zurechtflicken«, sagte ich zu Viridia, während wir das lebhafte Treiben beobachteten. »Das Schiff wird uns viel lohisches Gold bringen.«
»Aye, Dray Prescot. Und Gold macht dir Freude, was? Gold ist alles, was du verlangst?«
Ich wandte mich nach ihr um. »Was immer du von mir denken magst, Viridia, ich werde dir und deinen Piraten immer treu sein. Keine Angst.«
»Das rate ich dir auch, Dray!«
In den nächsten beiden Tagen bekamen wir kein anderes Segel zu Gesicht, und Viridia trug sich mit dem Gedanken, zur Insel der Ruhe zurückzukehren. Wir hatten alle Segel gesetzt, und das Meer war dermaßen aufgewühlt, daß der Einsatz von Rudern unpraktisch gewesen wäre. Wenn ich auch etwas gegen das sinnlose Zusammenscharren von Reichtum hatte, wußte ich doch, daß ich auf meinen Piratenfahrten bereits eine ziemlich große Summe zusammengerafft hatte. Nun ging es nur noch darum, ein Schiff zu finden, das mich nach Vallia brachte. Dieses Leben korrumpierte mich.
»Segel voraus!«
Die Männer stürzten aufgeregt an die Reling und sichteten ein weißes Dreieck am Horizont. Nach einigen Burs kam die Takelage eines großen Argenters in Sicht – ein herrlicher Dreimaster unter vollen Segeln. Die Männer begannen schon abzuschätzen, was für Reichtümer sich an Bord befinden mochten.
Dann sah ich die Flaggen, die stolz an den Mastspitzen flatterten. Ganz blau waren sie, von einem stolzen Blau, und in der Mitte des blauen Felds schimmerte der orangerote Kopf eines Zhantil.
Ich kannte diese Flagge!
Pando hatte mir einmal aufgeregt gesagt, daß er einen Zhantilkopf zum Symbol seiner Herrschaft machen wollte – zur Erinnerung an die Zhantiltunika, die ich ihm hatte nähen lassen.
»Beute aus Tomboram!« rief Arkhebi begeistert.
Ich dachte an die Dram Constant und ihre blauen Flaggen, und ich dachte daran, wie wir mit Kapitän Alkers gegen das Schwertschiff gekämpft hatten, auf dem ich jetzt stand. Ich konnte mir sehr gut das Entsetzen und die Aufregung vorstellen, die jetzt auf dem Argenter aus Bormark herrschten.
Mein Gewissen ist ein schlüpfriges Gebilde. Mein Piratendasein hatte mir überhaupt keine Sorgen gemacht, solange ich nur Opfer plünderte, die Feinde von Vallia und Bormark waren. Doch jetzt mußte ich das Schiff eines Freundes erobern und vielleicht vernichten! Es gab keinen Ausweg aus meinem Dilemma; wie konnte ich diese Sache bereinigen, ohne daß mir ein Womox den Kopf vom Rumpf trennte?
»Segel reffen!« brüllte Arkhebi aufgeregt. Eifrige Hände machten sich ans Werk. Wir mußten die Segelfläche reduzieren, sonst schossen wir an dem Argenter vorbei wie ein Zorca an einem Vove.
Unsere vier Begleitschiffe – ein Schiff war mit dem erbeuteten Menaham-Argenter umgekehrt – lagen weit zurück. Wir waren zunächst mit dem stolzen Argenter Pandos allein. Vor meinem inneren Auge sah ich ihn und Tilda – doch es war wohl die Erinnerung an Kapitän Alkers, die mein Gewissen anstachelte.
Ich nahm ein langes, starkes Holzstück auf, das ich bequem mit beiden Fäusten umspannen konnte. Dann ging ich zur Reling. Dort schimmerte eine Enteraxt in der Hand eines Mannes, der mit gierigem Grinsen wie fixiert über das schimmernde Meer auf seine Beute starrte. Ich nahm ihm wortlos die Axt ab, fuhr herum, hieb mit ihr in die Brassen des Hauptsegels und durchtrennte mit
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