Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
wahrhaft sehen lassen.
Ich schwieg beharrlich.
Viridia fuhr auf. »Dray! Hast du Fieber?«
»O nein, Viridia. Hör mir zu, hör mir mal gut zu.«
Bei diesen Worten richtete sie sich auf dem Bett auf und legte schüchtern die Hände zwischen die Knie. Ihr Gesicht nahm einen unterwürfigen Ausdruck an, und sie senkte den Blick. Wenn sie mir hier etwas vormachte, konnte sich die Vorstellung sehen lassen. Es gab keine Sklaverei bei den Piraten, doch ich wurde plötzlich das Gefühl nicht los, daß Viridia früher einmal Sklavin gewesen war.
»Ich höre, o Herr.«
»Du bist jetzt wehrlos, du bist auf dich allein gestellt, Viridia. Ich weiß, daß du kämpfen kannst. Aber deine Gegner sind Männer.«
»Herr, ich möchte deine Sklavin sein. Du mußt mich strafen, wenn ich mich schlecht benehme, du mußt mich auspeitschen. Ich habe viele Männer getötet, die gegen mich vorgehen wollten. Doch bei dir will ich tun, was Chekumte von dir verlangt hat – ich werde deine Füße küssen.«
Ich hatte allmählich den Eindruck, daß sie es ernst meinte. Obwohl ich bis auf den Lendenschurz nackt war, begann mir heiß zu werden.
»Hör zu, Viridia. Ich will deine Makki-Grodno-Piraten nicht! Behalte sie, behalte die Schwertschiffe. Und wenn du dieses dumme Spiel weitertreibst, hebe ich dir dein kurzes Nachthemd hoch und vertrimme dich ...«
»O ja, Herr bitte!«
Mit einem Wutschrei hob ich sie hoch, öffnete mit der freien Hand die Tür und wollte sie hinausschieben – doch da hatte sie mir schon die Arme um den Hals gelegt. Im nächsten Augenblick küßte sie mich leidenschaftlich – ein sehr angenehmes Gefühl, wie ich zugeben muß, denn sie küßte perfekt. Doch automatisch mußte ich an meine Delia denken – und begann zu lachen. Jawohl, ich lachte.
»Es hat keinen Sinn. Viridia. Ich begehre dich, begehre dich sogar sehr – aber ich liebe dich nicht. Und jetzt geh in dein Zimmer, bitte! Arkhebi, Valka und ich werden vor deiner Tür wachen. So bist du in Sicherheit.«
»Aber, Dray«, sagte sie charmant schmollend. »Vor dir möchte ich doch nicht in Sicherheit sein!«
Ich staunte. Aus einem wilden, harten Meerleem war plötzlich diese verführerische, sinnliche, unterwürfige Sklavin geworden? Wieviel davon war gespielt? Würde sie mir einen Dolch zwischen die Rippen stoßen, sobald ich meiner Waffen ledig war?
Zum Abschied sagte sie: »Wenn ich weiter das Kommando führen soll, Dray Prescot, dann möchte ich dich zum Kapitän des Schwertschiffs ernennen, das ich heute gekauft habe.«
Das klang schon besser.
Wenn ich erst eine Mannschaft hatte und von den anderen Schwertschiffen unabhängig war, mochte mir die Flucht leichter fallen.
»Also gut, Viridia«, sagte ich, trug sie in ihr Zimmer, warf sie auf ihr Bett und knallte die Tür zu. Anschließend weckte ich Valka und Arkhebi, und wir wechselten uns bei der Wache vor ihrem Zimmer ab bis zum Morgen.
Am nächsten Tag ging ich zum Hafen hinab, um das neueste Schiff in Viridias Flotte, mein künftiges Kommando, zu besichtigen.
Als ich das Schiff sah, rief ich aus: »Ein Meeresbüffel! Viridia, du schlauer Leem! Das ist ja ein Zenzile-Schiff! Uralt, altmodisch, leck – eine alte Badewanne!«
Das Lächeln, das mir Viridia zuwarf, reizte mich, sie wirklich zu vertrimmen. Ich stemmte die Hände in die Hüften.
»Ja, Dray Prescot – du glaubst vielleicht, daß das Schiff lahm und alt ist. Aber wenn du in meiner Flotte ein Kommando führen willst – dann ist das dein Schwertschiff.«
Neben mir brach Valka in lautes Lachen aus, und ich sagte, ohne ihn anzusehen: »Lach ruhig, Valka. Vergiß nicht, daß du auf dem Kahn die Varters kommandieren wirst.« Woraufhin der Vallianer schleunigst verstummte.
Ich hatte es mir im Auge der Welt angewöhnt, alle von mir kommandierten Ruderer Zorg zu nennen – in Erinnerung an meinen toten Ruderkameraden. Aber nun mußte ich wohl von diesem Prinzip abrücken; es kam nicht in Frage, daß ich diesen alten Kahn so taufte!
Wortlos ging ich zum nächsten Boot, das am Strand lag. Meine Männer musterten mich kurz von der Seite, kletterten mir stumm nach und setzten sich an die Ruder. Ich blickte nicht zu Viridia zurück. Ich wußte, daß sie lachte. Aber im Grunde war das alte Zenzile-Schwertschiff gar nicht so übel – es war eine Waffe des Meeres, lang, schmal, flach – tödlich.
Die Zenzile-Ruderanordnung galt, als sie zuerst eingeführt wurde, als großartige Erfindung – die Ruderbänke wurden diagonal gestellt, so daß
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