Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
niedergebranntes Dorf.
Ich begann mich zu fragen, ob ich in diesem traurigen Land überhaupt Hilfe für die armen befreiten Gefangenen finden konnte.
Der Pfad, dem ich folgte, war offenbar früher viel benutzt worden, und als er in ein Tal einbog und an einer Wasserfläche entlangführte, war ich sicher, daß ich hier einen Weg gefunden hatte, der früher einmal eine wichtige Landstraße gewesen war. Allerdings wuchs jetzt überall Gras und Unkraut, und da und dort war ein Teil des Ufers in den See gerutscht. Am Ende des Gewässers erreichte ich eine Schleuse. Die Holztore waren geschlossen; ich befand mich am unteren Ende. Es war eine Schleuse, wie ich sie auch von der Erde kannte. Die Schiffer hatten eine neue Ära eingeläutet; die Genialität, die in der Konstruktion einer Schleuse lag, daß durch sie Booten ermöglicht wurde, Berge zu überwinden, war mit das Fundament für die industrielle Revolution auf der Erde gewesen.
Über den Schleusentoren baumelte ein stark verwester Leichnam, was mich schnell wieder nach Kregen zurückholte.
Im Rückgrat des Toten steckte ein Pfeil.
Ich betrachtete den Pfeil. Wenn man die Waffen eines Gegners studiert, gewinnt man psychologische Erkenntnisse über ihn.
Dieser Pfeil stammte nicht von einem lohischen Langbogen. Der Schaft war kürzer, die Spitze bestand zwar aus Stahl, war aber nur ein flacher Keil. Die zerzausten Federn waren meiner Meinung nach nicht von einem Meister seines Fachs eingesetzt worden. Sie waren rot und schwarz.
Rot und Schwarz waren auch die Farben der Gefangenenwächter gewesen.
An diesem Abend mußte ich eine Entscheidung fällen. Ich konnte dieses Land nicht ohne Boot verlassen und nach Westen über das Meer fahren – und ich brauchte Hilfe, um ein Boot zu finden. Doch ich hatte auch eine Verantwortung gegenüber den ehemaligen Gefangenen – obwohl ich mir nicht recht vorstellen konnte, daß sie ihre Freiheit lange behalten würden. Das Land war von Sklavenhändlern ausgeblutet worden. Ich mußte weiterziehen und nach Gegenden suchen, wo es Menschen gab; dann mußte ich mir ein Boot besorgen.
Am nächsten Tag hielt ich mich etwas mehr westlich und verließ den Kanal. Doch ich fand nur verbrannte Erde und verwesende Tote. Dann schlug ich die Richtung nach Osten ein, überquerte den Kanal und durchstreifte Wälder und Ebenen, wo gewaltige Feuersbrünste getobt hatten und sich die Vegetation kaum erholt hatte. Es war eine mühsame Wanderung.
Am dritten Tag stieß ich auf eine schöne Landstraße. Oh, es war keine Straße des großen alten Loh-Reiches, doch man kam gut darauf voran. Ich war absolut sicher, daß kein anderer Mensch in meiner Nähe war – sobald ich das Gefühl hatte, mich einer besiedelten Gegend zu nähern, wollte ich die Straße verlassen und im Schutz der Bäume weiter vorrücken.
Die Straße führte mich direkt nach Osten. Auf diese Weise entfernte ich mich immer mehr von der Küste – ein Umstand, den ich hinnehmen mußte. Mir war inzwischen klar geworden, daß dieses Land von Meerespiraten heimgesucht worden war, die den Küstenstreifen leergefegt hatten. Das schlimme Ereignis mochte Monate zurückliegen, und der an der Schleuse hängende Leichnam schien meine Ansicht zu bestätigen, daß sich die Bewohner noch nicht zurückgewagt hatten. Ich befand mich auf einer Insel – und so mochte ich mein Ziel an der Ostküste oder im Inselgebirge erreichen.
Ich hatte den Eindruck, daß die Insel früher eine blühende landwirtschaftliche Gemeinschaft aus Dörfern und Städten gewesen war und daß man wilde Tiere wie Leems, Graint, Zhantils und dergleichen vor langer Zeit ausgerottet hatte, weil sie sich nicht bemerkbar machten. Die Bosks, die ich erlegte, mußten verwilderte Abkömmlinge der früheren Haustiere sein.
Eines Tages stieß ich plötzlich auf ein Tal, in dem in sauberen Reihen Gemüse und Getreide wuchsen – hier mußte es Menschen geben! Allerdings war zu erkennen, daß die Erträge kärglich waren, denn der Boden war trocken und versteppt. Dabei fiel mir auf, daß es seit meiner Ankunft auf der Insel noch nicht geregnet hatte.
Der Kanal, dem ich gefolgt war, hatte sich tags zuvor von der Straße getrennt, der ich weiter gefolgt war. Doch als sich nun auch die Straße von dem Ausblick auf die geordneten Felder entfernte, war ich verwirrt. Die Straße schien der natürlichen Linie des Tals zu folgen; die Felder, die ich gesehen hatte, mußten bewußt versteckt worden sein. Ich hatte sie nur gesehen, weil der
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