Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
beobachtete sie, während sie große Gesten machten und ihre Befehle gaben. Vorräte mußten aus der Scheune geholt und auf die Rücken von Calsanys geladen werden. Ich, Dray Prescot, Krozair von Zy und ausgebildeter Schwertkämpfer, saß einfach nur da und schaute zu.
Welche Erntedankfestfreuden auf Kregen auch bekannt sein mochten – im Herzen der Dorfbewohner waren diese Freuden dahin.
Ich sah mir die Aragorn an.
Sie ritten Zorcas. Nun, das war nicht überraschend denn es handelte sich um stolze Gestalten in Kampfpanzern. Die Zorcas waren herrliche Tiere – mit langen, dünnen Beinen und einem verdrehten Horn auf der Stirn, die in mir Erinnerungen an windschnelle Ritte über die Segesthes-Ebenen weckte. Die Aragorn hatten die Angewohnheit, ihre Zorcas am kurzen Zügel zu führen, wodurch die Hörner der Tiere stolz hochgereckt waren – doch diese Stellung war für die Tiere sehr unbequem.
Es waren Menschen. Ihre Panzer schimmerten – Brust- und Rückenplatten, Metallschutz an den Oberschenkeln, dickes purpurn gefärbtes Leder an Armen und Beinen. Sie trugen die typische vallianische Kopfbedeckung – flache Hüte und breite Krempen mit einer kecken Feder am Band und zwei Schlitzen in der Krempe über der Stirn. An den Sattelknöpfen baumelten Maurenhelme. Sie hatten keine Lanzen; ihre Bewaffnung war Rapier, Main-Gauche und ein Köcher voller Wurfspieße.
Ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte sie zum Kampf gefordert – doch die Lethargie hüllte mich wie ein Spinnennetz ein.
Die Aragorn nahmen die Ernte, schlugen einigen alten Männern mit der Reitgerte über den Kopf, sahen sich arrogant um und verkündeten, sie würden über Nacht bleiben. Von den Lastensätteln ihrer Calsany-Karawane nahmen sie Nahrungsmittel und Wein, wie sie von den Dorfbewohnern seit Beginn der fürchterlichen Sklavenplage nicht mehr gesehen worden waren. Sie warfen Theirson und Thisi und Vulima und Totor aus ihren Hütten und belegten sie für die Nacht. Es waren sechs Aragorn, mit sechs Sklaven und drei Tanzmädchen, die goldene Ketten an der Nase exotisch-durchsichtige Pluderhosen und silbrig-schimmernde Umhänge trugen. Die Aragorn lebten in dem einfachen Glauben, daß sie die Herren waren, daß ihr Wort das Gesetz darstellte und sofort erfüllt werden mußte. Der Gedanke an Opposition war ihnen fremd.
Eben merke ich, daß ich die Gesichter der Aragorn noch nicht beschrieben habe. An diese Aufgabe wage ich mich nicht gern heran. Schon damals sah ich in diesen Gesichtern etwas, das viele andere auch in meinem Gesicht entdeckt hatten. Dieselbe barsche Intoleranz, dasselbe wilde raubtierhafte Verlangen nach absolutem Gehorsam, dieselbe aufbrausende Arroganz, derselbe Teufelsblick, zu dem ich fähig bin. Zugleich weiß ich aber, daß mir trotzdem viele Frauen zugetan gewesen sind und daß ich mit Kindern bestens auskomme, und ich wage folgendes zu sagen: Wenn diese Dinge ebenfalls Spuren in meinem Gesicht hinterlassen haben, so fehlten sie im Antlitz der Aragorn völlig. Sie waren hart und unbarmherzig zu jedermann.
»Schafft diesen Dummkopf fort«, sagte einer, als er sich von seinem Zorca schwang.
»Er ist krank, Herr, sehr krank.«
»Dann will ich ihm seine Krankheit austreiben!« Und mit diesen Worten hob der Aragorn den Stiefel, um mich ins Gesicht zu treten. Ich bewegte den Kopf zur Seite, doch ich war noch geschwächt und reagierte zu langsam. Der Stiefel des Aragorn traf mich an der Schulter, und ich fiel rückwärts in den Staub.
Sie lachten.
Einige Dorfbewohner eilten herbei, um mir zu helfen. Dabei verneigten sie sich unterwürfig vor den Aragorn.
Das Entsetzen, das diese Männer verbreiteten, war an Kleinigkeiten abzulesen – an der Art und Weise, wie die Menschen herbeirannten, um unterwürfig den Zorcas die Zügel zu halten. An dem ständigen Zittern ihrer Körper, an den unzusammenhängenden Antworten, an der plötzlichen Starrheit, mit der auf die Worte der Aragorn reagiert wurde, als könnten die Worte allein einen Menschen versteinern lassen. Die Aragorn nahmen, was sie wollten, und vernichteten Werte und Hoffnungen, ohne darüber nachzudenken.
Ich dachte an mein Schwert, das irgendwo in der Nähe versteckt war, und begann zu schwitzen.
In dieser Nacht hörte ich schrilles Lachen und das Klirren von Fußschellen, und obwohl ich die Männer nicht sehen konnte, stellte ich mir ihre Spielchen vor, sah sie Wein trinken und gestohlene Nahrung hinunterschlingen, hörte das Stöhnen und das Klimpern
Weitere Kostenlose Bücher