Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
schwarzgrünen Meer zu versinken.
3
Viele Visionen gingen mir durch den Kopf, während ich die Fieberhalluzinationen der Krankheit durchmachte. Ich sah den Rauch und hörte das Dröhnen der Breitseiten, während ich langsam an den französisch-spanischen Linien vor Kap Trafalgar entlangsegelte; ich sah und hörte den donnernden Angriff der Kavallerie auf die Anhöhe des Mont Saint-Jean, ich kämpfte mit meinen Klansleuten und setzte mich als Kämpfer in Zenicce durch; ich kämpfte mit Ruderern aus Magdag und Schwertschiffen, während Viridia lachte; ich sah und spürte viele Dinge, die ich auf der Erde und auf Kregen erlebt hatte.
Und während dieser Zeit war ich, Dray Prescot, Pur Dray, Krozair von Zy, Lord von Strombor, fest davon überzeugt, daß die alten Menschen mich nicht vergiftet hatten.
Drei Tage lang lag ich in meinen Fieberträumen, und die ganze Zeit über blieben die Dorfbewohner bei mir und kümmerten sich um mich. Am Morgen des vierten Tages öffnete ich die Augen schaute durch die Türöffnung und sah das grünorangene Licht der Doppelsonne auf der Straße, und da wußte ich, daß ich wieder zu mir zurückgefunden hatte, daß ich meinen Körper und Geist wieder beherrschte und wieder ein Mann war. Doch ich war schwach wie ein Kleinkind.
Die Dorfbewohner waren überrascht.
»Die Krankheit packt einen Mann oder eine Frau und hält sie eine Sennacht lang fest«, hieß es.
Ich erzählte diesen Menschen nicht, daß ich im heiligen Taufbecken des Zelph-Flusses bei Aphrasöe gebadet hatte und dadurch ein tausendjähriges Leben und eine relative Immunität gegen Krankheiten und eine verstärkte Heilfähigkeit bei Wunden gewonnen hatte. Ich fühlte mich noch sehr schwach, schwächer als ich nach den fürchterlichen Erlebnissen in den Klackadrin gewesen war, und in der ersten Zeit konnte ich nichts anderes tun, als vor der Hütte im Sonnenschein zu sitzen, mich auszuruhen und langsam wieder zu Kräften zu kommen.
Ich weiß heute, daß diese Krankheit auf das Kanalwasser zurückzuführen war, das ich während meiner Wanderung getrunken hatte. Es schmeckte zwar süß, war aber für Menschen, die nicht dem Kanalvolk angehörten, sehr gefährlich. Oft erlag das Opfer seinen einwöchigen Fieberträumen. Daß ich noch lebte war dem Taufteich der Savanti in Aphrasöe zu danken. Eine dreitägige Erholungsdauer – nach kregischer Zeitrechnung eine halbe Woche oder Sennacht – fanden die Dorfbewohner höchst ungewöhnlich. So saß ich nun in der Sonne, beobachtete die Staubwirbel auf der Straße und bemühte mich, wieder auf die Beine zu kommen.
Man hatte meine savantische Jagdkleidung zum Säubern gebracht, und ich trug einen einfachen Lendenschurz aus orangefarbenem Stoff. Ich hob den Kopf, als Theirson mit einer Schale Bosk- und Taylynesuppe aus der Hütte kam. Tilda die Schöne hatte recht gehabt – hier in Vallia machte man die Suppe tatsächlich heiß, die man auf Kregen normalerweise kalt zu sich nahm. Ich aß langsam davon und freute mich über die beruhigende Wirkung auf meinen Magen.
»Wo ist mein Schwert?«
»In einem sicheren Versteck. Wenn die Aragorn hier eine Waffe fänden ...« Theirsons runzlige Lippen verzogen sich bekümmert. »Ruhe dich aus, erhole dich, Drak. Dann kannst du dein Schwert wieder an dich nehmen.«
Dieser Ratschlag gefiel mir ganz und gar nicht. Ich wollte schon Widerspruch erheben und den Alten notfalls zwingen, meine Klinge herauszugeben – doch plötzlich spürte ich eine seltsam beunruhigende Stille im Dorf. Im grünroten Licht erschienen die Aragorn am Ende der Straße.
Theirson gab ein leises Stöhnen von sich, dann nahm sein Gesicht einen Ausdruck an, wie man ihn von den Alabasterstatuen in Tomboram gewohnt ist. Ohne die Suppenschale loszulassen, beugte er sich auf der Schwelle seiner Hütte ein wenig vor. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
Es war fast Abend, die Zeit, da die Dorfbewohner nach langer Tagesarbeit von den Feldern zurückkehrten. Ich hatte sie oft fortgehen und zurückkommen sehen. Sie mußten schwer schuften – und die Ergebnisse ihrer Mühen waren in niedrigen Scheunen am Dorfeingang aufgestapelt. Wie fast überall auf Kregen wurde hier geerntet, sobald Früchte, Ähren und Gemüsesorten reif waren – und nicht nach dem Lauf bestimmter Jahreszeiten, die hier nur sehr schwach ausgeprägt sind. Allerdings gibt es auch auf Kregen so etwas wie ein Erntedankfest.
Die Aragorn kamen ins Dorf geritten. Ich saß wie betäubt da und
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