Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung
ging er.
Mit benebeltem Kopf stieg er die breite Treppe vor dem Hotel hinunter. Es war noch früh am Abend, und er wusste nicht wohin. Er hätte zum Shelley-Palast gehen und seinen triumphierenden Bruder treffen können, oder er konnte Terza besuchen und bei den Vorbereitungen der Hochzeitsfeier stören.
Laut schallte »Herzlichen Glückwunsch« aus Lord Fizz macht Urlaub aus dem Ballsaal heraus. Martinez empfand eine tiefe Traurigkeit. Solche Späße blieben ihm jetzt versagt.
So sehr er sich auch nach einer Beförderung gesehnt hatte, die Zeit als junger Offiziersanwärter hatte er durchaus genossen. Kaum Verantwortung, überwiegend angenehme Gefährten, und jede Nacht hatte ihm gehört.
Mit dieser Sorglosigkeit war es nun vorbei, zumal er eine Verbindung mit den Chens eingehen würde. Auf dem Schiff würde er einer Chen unterstellt werden, und ein weiterer wachte im Flottenausschuss über ihn. Roland, der das Scheckbuch der Familie führte, würde das alles bezahlen. Vom nächsten Tag an würde er kaum noch einen Schritt tun können, ohne vorher ihre Zustimmung eingeholt zu haben.
In diesem Moment überwältigte ihn der Abscheu. Sein eigener Ehrgeiz hatte ihn in diese Falle geführt. Er würde eine Frau heiraten, die er kaum kannte und der er vermutlich nichts als Kummer bereiten würde. Es wäre leichter, wenn er sich dazu durchringen könnte, Terza nicht zu mögen – dann könnte er sie einfach benutzen und sich dabei denken, dass sie es nicht wert war, besser behandelt zu werden. Doch er kannte Terza gut genug, um zu wissen, dass sie es verdiente, gut behandelt zu werden und einen Ehemann zu finden, der besser war als er selbst.
Ihm kam der Gedanke, einfach zu fliehen. Einfach weglaufen, wie Sempronia es getan hatte, und sein Glück auf eigene Faust suchen.
Doch Sempronias Beispiel hatte ihm gezeigt, was dann passieren würde. Er würde keine Zuwendungen mehr bekommen, seine Gönner in der Flotte würden sich gegen ihn stellen … und statt wie die meisten Offiziere über ein privates Einkommen zu verfügen, würde er von seinem Sold leben müssen und den Rest seiner Laufbahn in einem Dreckloch von Depot oder Ausbildungslager verbringen, nachdem ihn die Chens verdammt hatten.
Martinez machte einen Abstecher zur Hotelbar und dachte zwei Drinks lang nach. Als er das zweite Glas geleert hatte, tauchte Amanda Taens Abbild vor seinem inneren Auge auf. Ein letztes Mal das Junggesellenleben auskosten – wenigstens das konnte er sich gönnen. Ein letzter Hauch von Freiheit, bevor er sich für immer in die finstere Gefangenschaft begab.
Als er anrief, erfuhr er zu seiner Überraschung, dass Amanda nichts vorhatte und einem Dinner und einem Besuch in einem Club keineswegs abgeneigt war. Sie war so angenehm, wie er sie in Erinnerung hatte – fröhlich, unkompliziert und hemmungslos -, und als er mit ihr ins Bett ging, war sie entzückend. Erst danach kam er auf seine bevorstehende Heirat zu sprechen, von der sie aus den Klatschblättern ohnehin schon erfahren hatte.
»Ich lasse mich nicht mit verheirateten Männern ein, also war es das letzte Mal.«
»Ich werde dich vermissen«, sagte Martinez, und es war durchaus ehrlich gemeint.
»Ich bin froh, dass ich weder reich noch eine Peeress bin«, seufzte sie. »Ich kann heiraten, wen immer ich will.«
Traurig hörte Martinez diese wahren Worte. Schon spürte er die Tentakel des Chen-Clans, die ihn fesseln würden.
Auf der Hochzeit längst von Kopf bis Fuß eingewickelt, bahnte Martinez sich mit Terza einen Weg durch das Gedränge der Gäste bis zum Wagen, der sie draußen erwartete. Lord Chen schüttelte Martinez die Hand und schenkte ihm die perfekte Imitation eines herzlichen Lächelns. Lady Chen erlaubte ihm, einen Moment lang zwei eiskalte Finger zu berühren, und Roland klopfte ihm triumphierend auf die Schulter.
Gefolgt von Alikhan, der eine makellose Uniform trug und die Goldene Kugel in ihrem Kästchen hütete, stiegen Martinez und Terza ins Cabriolet. Alikhan setzte sich nach vorn zum Fahrer, und dann beförderte sie der Wagen zum Hotel Boniface, wo Martinez eine Suite gemietet hatte, in der sie das Eheleben genießen konnten, solange es die Flotte erlaubte.
Der Wagen fuhr gemächlich den Boulevard der Praxis hinunter. Der Wind spielte mit Terzas Haaren und ließ sie hinter ihr flattern. Es war noch früh am Abend, die ersten Nachtschwärmer gingen gerade erst aus. Martinez fuhr auf, als er unter einer Straßenlaterne eine hellblonde Frau bemerkte,
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