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Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung

Titel: Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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zuziehen. Oder ein Zuschauer würde ein Messer ins Auge bekommen, falls eines der elastischen Bänder riss.
    Sulas Atem kondensierte in der kalten mitternächtlichen Luft. Martinez hatte sie von hinten umarmt, und sie lehnte sich an und genoss seine Wärme.
    Er hatte mit ihr eine Reihe von Clubs in der Unterstadt besucht, und bei der Rückkehr waren sie auf mehrere Straßenartisten gestoßen, die auf dem breiten Vorplatz der Seilbahn ihre Kunststücke vorführten. Cree-Trommler schlugen im Fackelschein den Rhythmus, während Daimong-Akrobaten auf Stühlen, Fässern oder aufeinander balancierten. Ein nachtaktiver Torminel, dessen Augen im Zwielicht riesengroß waren, hatte eine Vorstellung als Clown gegeben. Es roch stark nach Maronen und gerösteten Maiskolben, die aus Zanshaas südlicher Hemisphäre stammten und von Händlern auf tragbaren Kohleöfen zubereitet wurden. Jetzt ließ ein halbwüchsiges terranisches Mädchen scheinbar lässig die Messer fliegen, und Sula war sprachlos vor Bewunderung.
    »Hier, probiere das mal.« Martinez reichte ihr eine kandierte Taswa-Frucht, die er bei einem Verkäufer erstanden hatte. Als Sula hineinbiss, explodierte der Zucker förmlich auf ihrer Zunge, danach entfaltete sich der scharfe, säuerliche Geschmack. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
    »Danke«, sagte sie mit spitzen Lippen.
    Die Artistin tanzte jetzt so schnell, dass man kaum noch die einzelnen Bewegungen erkennen konnte, die glänzenden Messer zischten rings um sie herum. Sula hörte die Tritte der weichen Ledersohlen auf dem Pflaster, als das Mädchen zu einem komplizierten Überschlag ansetzte und knapp außerhalb der Gefahrenzone auf den Füßen landete. Blitzschnell riss sie die Klingen aus der Luft herunter, Metall klirrte auf Metall. Sobald sie alle Messer in Händen hielt, verharrte sie einen Moment regungslos, stellte die Füße dicht nebeneinander und verbeugte sich.
    Das Publikum, das aus etwa hundert Passanten bestand, die nach einem Abend in der Unterstadt in die Hohe Stadt zurückkehrten, applaudierte und jubelte. Auch Sula stimmte in die Rufe ein und klatschte, bis ihre Hände rot anliefen. Als ein Torminel mit einem kleinen tragbaren Terminal vorbeikam, um Spenden einzusammeln, übertrug sie einen großzügigen Betrag.
    Darauf folgte eine weitere Nummer, ein traurig dreinschauender Terraner, dessen Vorstellung ausschließlich darin bestand, dass er auf dem Pflaster einen Ball springen ließ. Dies tat er allerdings auf höchst überraschende Weise. Martinez hielt Sula wieder in beiden Armen, und sie biss noch einmal von der kandierten Taswa-Frucht ab.
    Ich stehe hier im Fackelschein und sehe einem erwachsenen Mann dabei zu, wie er einen Ball springen lässt, dachte Sula. Und wie fühle ich mich?
    Glücklich … die Erkenntnis traf sie so überraschend, dass sie vor Schreck die nach Holzkohle riechende Luft tief einatmete.
    Glück, Erfüllung, Zufriedenheit.
    Der Gedanke, sie könnte glücklich sein, war so verblüffend, dass sie ihn behutsam untersuchen musste wie einen Blindgänger. Irgendwie misstraute sie dieser Vorstellung auch. Sie hatte nur wenige glückliche Momente gehabt, und überhaupt keine mehr, seit sie in Lady Sulas Rolle geschlüpft war. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, irgendwann einmal Glück zu empfinden, da ihr ganzes Leben auf Betrug beruhte und sie ständig auf der Hut sein musste, um nicht bloßgestellt zu werden.
    Der Artist reagierte auf einen unerwarteten Sprung seines Balls, und Sula schmiegte sich lachend enger in Martinez’ Arme. Es war wie ein Rausch.
    Glück.
    Was für ein Schock.
     
    »Nein«, widersprach Lord Tork. »Niemals. Die Hauptstadt aufgeben? Das ist völlig ausgeschlossen.«
    Lord Chen täuschte eine Neugierde vor, die er nicht empfand. »Meine Schwester und Lord Geschwaderkommandant Do-faq unterstützen diesen Plan. Welche Einwände haben Sie?«
    »Zanshaa ist das Herz des Reiches!«, klingelte Tork. »Wir dürfen die Hauptstadt nicht aufgeben!«
    »Wenn wir Zanshaa verteidigen, setzen wir alles auf eine einzige Schlacht, in der unsere Aussichten von vornherein schlecht sind«, wandte Chen ein.
    »Wenn die Regierung umziehen könnte …«,begann Lady Seekin.
    »Die Regierung wird nicht umziehen«, entgegnete Tork. »Lord Saïd wird einem so radikalen Schritt niemals zustimmen.«
    Das werden wir noch sehen, dachte Chen erbost. Er wollte sich um ein persönliches Gespräch mit dem Obersten Lord bemühen.
    Die acht Mitglieder des Flottenausschusses

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