Dreck
seine Polaroid ein, sprintete ungesehen über die Straße und hinter den Range Rover. Die Straße war eng und schlecht beleuchtet; Pedersen sah ihn nicht kommen. Als Pedersen aufschloss, drängte er sich mit zur Tür hinein, schmiss die Tür von innen ins Schloss, wartete, bis er das Geräusch des Einrastens hörte und zog sein Messer.
Pedersen fuhr herum und drückte sich starr vor Schreck mit dem Rücken gegen die Wand. Sein Atem stank nach Bier. Letterman tippte mit der Messerspitze an die weiche Stelle unter Pedersens Kinn und verfolgte aufmerksam die Schluckbewegungen. »Na, Maxie«, sagte er zärtlich.
Max Pedersen schluckte schwer. »Wer sind Sie?«
»Du solltest nicht so viel fragen, Max«, sagte Letterman. Es verschaffte Letterman sowohl Vergnügen als auch einen strategischen Vorteil in diesem Spiel, Pedersen vertraulich mit Vornamen anzusprechen. Denn Pedersen hatte gar nichts, nicht einmal seinen Nachnamen, mit dem er Letterman hätte ansprechen können.
Während der nächsten zwei Minuten herrschte absolute Stille. Letterman neigte den Kopf erst nach links, dann nach rechts und bohrte die Spitze des Messers genüsslich in die weiche Stelle unter Pedersens Kinn, während die Klinge das fahle Flurlicht grell reflektierte.
Das Schweigen tat seine Wirkung. Wie jedes Mal. »Was wollen Sie von mir?« fragte Pedersen. »Was es auch ist, ich gebe es Ihnen. Wollen Sie Geld? In meiner Brieftasche hab ich was.«
Letterman schwieg. Erst wenn das Schweigen seine volle Kraft entfaltet hatte, wollte er seine Fragen hart und erbarmungslos auf ihn abfeuern. Damit sie auch richtig trafen.
Die erste war ein Brüllen. »Wo ist er?«
Pedersen zuckte zusammen. »Wer?«
Wieder gab Letterman keine Antwort. Nach einer Weile wiederholte er sanft: »Wo ist er?«
»Wer denn? Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«
Die sanfte Stimme wurde zu einem fast zärtlichen Flüstern: »Wo ist er?«
»Wer denn?« Es klang wie ein Flehen. »Ich wohne hier alleine. Hinter wem sind Sie denn her?«
Letterman trat einen Schritt zurück und ritzte mit dem Messer die Haut an Pedersens Hals leicht auf. Als er sprach, klang es tonlos und hastig: »Wyatt.«
Pedersen hob abwehrend die Hand und zog sie blutend wieder zurück.
Er starrte zuerst ungläubig auf das Blut, dann auf Letterman, als ob er die Welt nicht mehr verstünde. »Wyatt?«
Normalerweise hatte Letterman einen zweiten Mann dabei, der bei dem Interview assistierte; Arbeitsteilung, einer schlug zu, einer zeigte dem Opfer Wege auf, wie es weitere Angst und Schmerzen vermeiden konnte. »Wo steckt er?« wiederholte er.
»Wyatt wohnt nicht hier«, antwortete Pedersen. »Das ist meine Wohnung.«
Letterman setzte erneut ein sanftes, lächelndes Gesicht auf, aber das Messer hatte schon ein paar leichte Kreuzschattierungen auf Pedersens Haut hinterlassen. »Das weiß ich. Ich will wissen, wo er ist.«
»Ich habe ihn seit Wochen nicht mehr gesehen«, jaulte Pedersen.
Das war die Wahrheit. Letterman wusste es von Anfang an. Dennoch spielte er weiter den Ungläubigen. Ein Schachzug, mit dem er meistens große Wirkung erzielte. »Erzähl mir keinen Scheiß. Du drehst doch schon wieder ein Ding mit ihm.«
»Nein, wirklich nicht!« wehrte sich Pedersen. Er war kurz vorm Flennen. »Ich schwöre, ich hab ihn wochenlang nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der hat Ärger gekriegt und ist untergetaucht. Keiner hat ihn seitdem gesehen.«
»Gehen wir mal davon aus, ich glaube dir. Was ich nicht tue, aber angenommen, ich glaube dir. Wenn er abgehauen ist, wo ist er hin? Hat er irgendwo eine kleine Motte rumflattern? Oder befingert er lieber kleine philippinische Jungs? Hat er vielleicht eine alte Mutter an der Westküste? In Perth? Na, wie sieht’s aus?«
Pedersen fasste Mut. Dieser Verrückte schien nicht hinter ihm her zu sein, hatte im Grunde gar nichts gegen ihn. »Ich kenne den Kerl kaum. Er ist nicht gerade gesprächig. Ein oder zwei Dinger pro Jahr, dann ist er wieder verschwunden.«
Letterman lächelte wieder und ließ die Klinge im Flurlicht aufblitzen. »Du arbeitest immer mit ihm.«
»Nur ein einziges Mal.«
»Beim letzten Job warst du dabei.«
Pedersen nickte widerwillig. »Ja.«
»Damit habt ihr ein paar Leuten schwer auf die Hühneraugen getreten«, bemerkte Letterman.
Letterman benutzte nur Messer mit sehr dünnen Klingen. Dünne Klingen schlüpfen wie von selbst unter die Haut und ersparen unnötiges Herumgehacke. Er setzte das Messer immer ganz flach horizontal an und
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