Dreck: Roman (German Edition)
Weidenkörbe und uralte Ruten. Damit wusste er nicht umzugehen. Wann immer sie zu Lebzeiten seines Großvaters in der Hütte gewesen waren, war er in Carmichael geblieben und hatte gearbeitet. Hatte sichnie zur Ruhe gesetzt. Hatte schließlich einen Schlaganfall erlitten und war im Altersheim gestorben. Er war Bauingenieur gewesen, hatte Highways gebaut und diese Brücke in Sacramento, die seine Großmutter dauernd erwähnte, aber was bedeutete das?
Galen zog die kleinste Axt hervor und nahm einen Keil vom Boden. Kalter, schwerer Stahl, die Ecken eingedellt und angeschlagen vom jahrelangen Hacken. Er stieß die Tür mit dem Fuß zu und ging zum Hackklotz hinter der Hütte. Ließ den Keil auf die Erde fallen und schwang die Axt über den Kopf in den Klotz. Dieser Schwung war herrlich, die Fliehkraft in der Kurve und wie die rechte Hand den glatten Stiel entlangrutschte.
Ja, sagte er.
Das Holz war an der Rückwand der Hütte gestapelt, trocken unter einem Überhang. Und grau, weil es schon so viele Jahre da lag. Sie waren nie lange hier. Galen nahm ein Stück Holz, schaute nach Spinnen. Er trug keine Handschuhe. Er stellte das Holz hochkant auf den Hackklotz und holte kräftig mit der Axt aus. Das Blatt prallte an der Kante des Holzstücks ab und grub sich in den Boden, Zentimeter von seinem linken Fuß entfernt.
Boah, sagte Galen. Er trat zurück und blickte sich um, als hätte ihn jemand beobachtet; der Stiel ragte vor ihm auf. Ein Schwindel befiel ihn wie an der Kante eines Kliffs, wo die Luft nach unten zog. Heiliger, sagte er. Er sah auf seine alten Converse-Turnschuhe, schmutziges Leinen, hauchdünn, und konnte nicht fassen, wie kurz davor er gewesen war, einen Fuß zu verlieren. Er hatte das schreckliche Gefühl, dass er ihn immer nochverlieren könnte. Er schüttelte die Arme aus, schüttelte die Gänsehaut ab, nahm die Axt.
Alles konnte passieren, jederzeit. Das war die Wahrheit der Welt. Eines Tages verlor man vielleicht seinen Fuß, und dann war man jemand, dem ein Fuß fehlte. Man wusste nie, was als Nächstes kam, und das galt selbst für die kleinsten Dinge. Man wusste nicht, was man als Nächstes denken oder was jemand in einer Unterhaltung sagen oder wie man sich in einer Stunde fühlen würde. Und diese Ungewissheit wurde von seiner Mutter ständig verstärkt. Ihre Gespräche konnten binnen Sekunden vom Belanglosen ins Wahnsinnige. Er wusste nicht, wieso das nur mit ihr so war. In einer Sekunde gab sie ihm Kosenamen, in der nächsten drohte sie, ihn vor die Tür zu setzen. Und wenn er wütend auf sie war, dann kam diese Wut aus einer schrecklichen Quelle. Etwas Unbekanntes, etwas nie Geahntes, und auf einmal ertrank er darin.
Galen wollte Frieden mit seiner Mutter. Er wollte Frieden. Doch sobald er in ihre Nähe kam, wollte er sie umbringen.
Diesmal passte er auf, achtete darauf, seine Beine zu spreizen und etwas mehr Abstand zu halten. Er konzentrierte sich beim Ausholen auf die Oberseite des Holzstücks. Ein befriedigendes Tschack beim Auftreffen des Blatts. Er schob den Keil in die Lücke und holte erneut aus, teilte das Holz mit einem Schlag. Helleres Fleisch innen, das Holz gelb statt grau.
Okay, sagte er. Und er arbeitete sich in einen Rhythmus hinein, Klotz um Klotz mit behutsamer Konzentration auf das Ziel, mit Genuss am Schwung, der erhebenden Schwerelosigkeit, dem Gefühl von Muskeln in Armen und Rücken, dem Schweiß auf seiner Haut, den von den Bäumen gedämpften Schlägen.
Irdische Arbeit. Das war der vielleicht schnellste Weg, weil man sich selbst vergessen konnte, jeden vergessen konnte und nur den Schwung fühlen. Man gelangte durch die Welt, indem man ihre Existenz vergaß, das war der Schlüssel. Ein Schatten in einem Schattenland, den Moment abpassend.
Galen schleuderte die Axt hügelaufwärts. Ganz spontan. Sie rotierte durch die Luft, schlug hart auf dem Boden auf. Er wanderte hinauf und schleuderte sie erneut von sich, Blatt und Stiel schnippten durch Äste und hüpften über die Erde, stieben Granitmehl auf. Staubwolken wie Rauch. Der Axtschleuderer. Er wusste nicht, was es sollte, aber es fühlte sich gut an. Richtig. Er warf die Axt, so kräftig er konnte, schleuderte sie mit beiden Händen. Er war wie Thor, er teilte die Luft. Spaltete den Schein, zerriss den Stoff der Illusion.
Galen sah sich rasch um, nach einer Spur in der Luft, einem Wirbel, einer Unruhe an den Rändern seines Wegs, doch er hatte keinen geübten Blick. Mulden und Risse und Strudel, und alles
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