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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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auf und ging hinterher.
    Galens Großmutter hob die Augenbrauen. Ach je, sagte sie. Ich weiß nicht genau, was hier vor sich geht.
    Schon gut, Grandma, sagte Jennifer. Du schreibst bloß Schecks für die Uni, für Galen und mich. Das College fängt bald an.
    Ach. Sie sah Jennifer an, und da wurde Galen bewusst, dass sie Jennifer überhaupt nur selten ansah. Du bist jetzt auf dem College? Bist du schon so alt?
    Ich fange nächsten Monat an, sagte Jennifer.
    Du siehst so jung aus. Wo studierst du denn?
    Stanford.
    Stanford. Ach je. Wie hast du es denn nach Stanford geschafft? Dafür bist du doch gar nicht klug genug, oder?
    Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Du hast mir geholfen. Wir haben stundenlang zusammen gelernt, Grandma. Jennifer griff nach der Hand ihrer Großmutter. Tausend Dank für deine Hilfe, Grandma.
    Ach. Und wo geht Galen hin?
    Chico State.
    Chico State?
    Ja. Er macht nicht gern Hausaufgaben.
    Hör auf, sagte Galen. Bin gleich zurück. Er hörte, wie seine Mutter und seine Tante im hinteren Zimmer stritten, und er wusste, dass er jetzt seiner Mutter beistehen musste.
    Er war fast beim Ausziehbett angelangt, als sie aus dem Zimmer seiner Großmutter platzten. Beide hielten eine hellbraune Tasche fest, geräumig, robust und alt mit großen Griffen. Seine Mutter zerrte kräftig daran undbrachte seine Tante ins Wanken. So hatte er seine Mutter noch nie gesehen, zähnefletschend in ihrer fröhlich geblümten Schürze.
    Dann riss seine Tante an der Tasche, und seine Mutter knallte an die Wand, rutschte und stürzte in die schmale Lücke zwischen Wand und Bett, mit rudernden Armen. Seine Tante jetzt auf dem Ausziehbett, und Galen stürmte zu ihr, hatte einen Fuß auf der Matratze, als sie ihn mit ausgestrecktem Arm fortstieß und ihn mit grimmig entschlossener Miene einfach überrannte. Er fiel, kippte nach hinten über, sein Kopf schlug auf und prallte ab, der Schädel zu schwer, wie eine Bowlingkugel, und er bekam keine Luft, konnte nichts sehen. In seinem Kopf heulte es auf wie ein Düsentriebwerk, und er wurde panisch. Hatte er es krachen hören? War sein Schädel gebrochen?
    Er wollte sich nicht bewegen.
    Nur ein Spiel, bloß Spaß, hörte er seine Tante sagen. Kleines Gerangel auf dem Ausziehbett wie früher als Kinder. Herrlich, so viel Spaß.
    Suzie-Q?, rief seine Großmutter.
    Galen musste etwas tun. Seine Mutter tat gar nichts. Vielleicht war auch sie verletzt. Aber sein Kopf war so schwer und puckerte. Er hörte, wie Jennifer etwas über Stanford sagte, wie teuer das sei. Gemeinsam nahmen sie seine Großmutter in die Zange.
    Galen spürte seine Zehen, konnte seine Füße bewegen. Und seine Hände. Er war nicht gelähmt. Er bekam wieder Luft, und er machte die Augen auf und war noch bei Sinnen und konnte denken. Seinen Kopf mochte ernicht anfassen, fürchtete, Blut zu ertasten oder sogar einen Bruch im Schädel, trotzdem fasste er hin und fühlte nur eine Beule, die bereits anschwoll, aber nichts Feuchtes. Trockenes Haar. Er würde es überstehen, vielleicht.
    Mom?, rief er.
    Ja, sagte sie.
    Warum machst du nichts?
    Ich bin aufs Steißbein gefallen, sagte sie. Es tut weh. Aber ich kann auch nicht mehr kämpfen. Sie nehmen sich etwas von dem Geld, vielleicht ist das in Ordnung so. Wenn sie mehr als fünfzig nehmen, ist er nicht gedeckt. Ich kann nicht mehr gegen sie kämpfen. Und gegen dich auch nicht.
    Da ist so viel Geld, dass sie fünfzigtausend abheben könnten, und es würde nichts ausmachen?
    Hör auf.
    Das glaube ich nicht. Warum bin ich dann nicht aufs College gegangen?
    Du hättest arbeiten können. Du hättest gehen können. Aber du wolltest ja, dass sich jemand um dich kümmert.
    So wie du.
    Schön. Mir egal, was du von mir denkst. Denk, was du willst.
    Du redest Unsinn. Wie könnte ich irgendwas über dich denken? Du lebst in den Wolken. Wir haben dieses ganze Geld zur Verfügung und benutzen es nicht. Wir leben von Haushalts- und Gärtnerschecks, warum?
    Keine Antwort von seiner Mutter.
    Sag's mir, du Stück Dreck, knurrte Galen so leise, dassnur seine Mutter es hören konnte. Du kannst nicht einfach gar nichts sagen. Das ist mein Leben. Meine Zukunft. Er wollte sie rütteln. Er wollte sie rütteln und in Stücke reißen.
    So redest du nicht mit mir.
    Ich rede mit dir, wie ich will, bis du aufhörst, dich wie eine Verrückte aufzuführen.
    Im Nebenzimmer wurde nicht mehr geredet. Sie hatten sie so weit, dass sie unterschrieb, kein Zweifel. Er hätte das Scheckbuch nie erwähnen sollen.

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