Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
Vom Netzwerk:
wäre sie nicht mal seine Mutter. Kein Erkennen, keiner zu Hause. Drehte sich bloß um, ging am Auto vorbei zum Hahn und ließ alles Wasser ablaufen, setzte sich ins Auto, Galen schob sich neben Helen und Jennifer, und sie fuhren los.
    Adieu, Hütte, sagte Galen wie üblich, aber diesmal hatte es nichts Vergnügtes an sich.
    Sie rumpelten den Feldweg hinunter und über die Brücke, wo Galen einen Blick auf die Forellen im Bach zu erhaschen hoffte. Mein Speer, sagte er. Ich habe meinen Speer vergessen.
    Keine Antwort von seiner Mutter.
    Wir müssen zurück, sagte er, aber sie fuhr weiter, über die Brücke, bog auf den Highway, und die Luft strömte herein. Ich habe immer noch keine Forelle gefangen, rief er gegen den Krach an. Verdammt noch mal.
    Sie erreichten die Kurve mit dem Blick auf Lover's Leap, wo sich eine Squaw aus Kummer über den Verlust ihres Geliebten den Granitfelsen hinuntergestürzt hatte, aber Galen saß auf der falschen Seite und konnte an der Mafia vorbei wenig sehen. Er streckte den Kopf wie ein Hund zum Fenster heraus, ließ die Wangen von der warmen Luft anwehen und sah Horsetail Falls, flüchtig nur. Eigentlich hatte er dort hinaufwandern wollen.
    Er zog den Kopf wieder ein. Ich wollte den Horsetail rauf, rief er. Warum fahren wir so früh zurück?
    Seine Familie jedoch war zu Stein verwandelt, keiner der Sprache mächtig. Schön, sagte er.
    Sie sackten durch die Berge in niedrigere Ausläufer,ringsherum blassgrüne Nusskiefern, in den Wald getupft, als wären sie getuscht. Dann kam Sam's Restaurant, das alle nur erdenklichen Computerspiele hatte, sogar welche, die man sonst nirgends fand, ein Flugabwehrspiel mit richtigen Filmen von Flugzeugen. Wenn man beim Schießen richtig zielte, schnitt der Film zu einem Feuerball, einer Flugzeugexplosion. Können wir bei Sam rein?, fragte er.
    Keine Antwort. Die gesamte Fahrt über sagte keiner etwas. Alle in Gedanken vertieft oder in Gedankenlosigkeit. Erscheinungen auf Stand-by. Jennifers Bein an seinem, und er spürte, dass er sie bereits verloren hatte, spürte eine so rastlose Verzweiflung, dass er einfach nur heulen wollte. Aber er riss sich zusammen. Er wusste nicht, was heute noch geschehen würde, wusste nicht, was seine Mutter vorhatte.
    Als sie den letzten Berg erklommen, konnten sie Central Valley überblicken, eine endlose Ebene aus trockenem, gelbem Gras mit bewässerten Flecken. Eine Wüste. Die Ofenluft, die durch die Fenster hereinwehte. Eine Höllenvariante, und wieso hatte sich hier irgendjemand niedergelassen? Weil es leichter war, auf plattem Land zu pflanzen als auf einem Hügel? Unbegreiflich. Das gesamte Tal ein selbstgewähltes Internierungslager für Dumme und Arme. Seine Großeltern allerdings hatten Geld und Bildung besessen und waren hier gelandet. Vielleicht weil sie Einwanderer waren und es nicht besser wussten. Unbegreiflich war Galen, weshalb er durch diesen Ort, diese Geschichte gehen musste. Was ließ sich daraus schon lernen? Warum hier? Wozu dieses Leiden?
    Home sweet home , rief er gegen den Wind.
    Natürlich keine Antwort.
    Willkommen zu Hause, brüllte er. Auf dem Mars. In der Hölle.
    Offensichtlich konnte er gar keine Reaktion hervorrufen, mit nichts.
    Ich bin ein Zwerg, brüllte er. Ich bin ein Karnickel. Ich bin ein Quastenflosser.
    Du bist ein Würstchen, rief seine Tante.
    Endlich, rief er zurück. Ein bisschen Konversation. Danke.
    Ein Würstchen, das sich für was Besseres hält, fuhr seine Tante fort. Ein kleines, verwöhntes Würstchen. Blödes, verwöhntes Würstchen – hey, das reimt sich. Wir sind alle Dichter.
    Galen fragte sich, wie es sich anfühlte, jemanden zu würgen, eine Gurgel zwischen den Händen zu haben und einfach die Daumen hineinzudrücken. Wahrscheinlich schwierig. Fester, als man erwarten würde, nicht so einfach, die Luftröhre zu knacken. Aber er wäre bereit, sein Bestes zu geben.
    Er sah zu seiner Tante hinüber, aber sie blickte aus dem Fenster. Jennifer lächelte, lachte ihn wahrscheinlich aus. Wie nett, dass dies ihr letzter gemeinsamer Augenblick sein sollte.
    Also starrte er aus seinem Fenster auf dröge Vorstädte, bis sie bei Bel-Air vorbeikamen.
    Die haben den besten Kürbiskuchen, sagte er.
    Ja, sagte seine Großmutter, das stimmt. Sie haben den leckersten Kuchen. Und ich glaube, wir haben keinen Kuchen mehr. Wir sollten anhalten.
    Galens Mutter fuhr weiter.
    Suzie-Q, wir müssen bei Bel-Air anhalten.
    Wir sind seit heute Morgen unterwegs, Mom. Wir müssen dich

Weitere Kostenlose Bücher