Dreck: Roman (German Edition)
Hand.
Ich sah, wie sich die Welt vor mir auftat. Was ich da genau sah oder wieso ich irgendetwas davon geglaubt habe, weiß ich nicht, aber vielleicht war es so eine Vorstellung, wie wir in der Walnussplantage spielen, zwischen den Bäumen Fangen spielen. Gelber Senf und Wildblumen und Lachen. So was vielleicht, wie die schönsten Augenblicke meiner eigenen Kindheit in diesem Garten.
Sie sah ihn nicht an. Sie ließ den Blick über die Plantage schweifen und hielt dabei ihre Teetasse in beiden Händen, hielt sie einfach in der Schwebe, ohne daraus zu trinken.
Du klingst wie das Ferienprogramm, sagte er.
Du willst alles klein machen. Genau das hast du immer getan. Du hast versucht, alles klein zu machen. Aber ich erzähle jetzt trotzdem weiter, weil es mir wichtig ist. Es ist mir wichtig, dass es bei dir ankommt, ausnahmsweise mal.
Schön, sagte er.
Es gab ein Gefühl für das alles, ein Gefühl zu dir. So ein Weihnachtsgefühl, tatsächlich unschuldig und rein. Ich stellte mir Freude vor. Und ich glaube, eigentlich wollte ich meine eigene Kindheit wiederherstellen. Ich wollte zurück und alles heil machen und so leben, wie es hätte sein sollen.
Seine Mutter hatte ihn noch immer nicht angesehen. Das war beunruhigend.
Dazu gehörte ein Mann. Und ich dachte, ich hätte diesen Mann gefunden, aber als ich ihm sagte, dass ich schwanger bin, ging einfach alles vor die Hunde. In weniger als einer Minute. Es ging wirklich so schnell. Alle seine Gefühle für mich verpufften einfach.
Wer war er?
Die Chance hat er verspielt. Er kriegt keinen Namen und keine Geschichte außer der einen, die hier zählt, nämlich dass seinetwegen alles in weniger als einer Minute vor die Hunde ging. Mehr brauchst du nicht über ihn zu wissen.
Das ist echt hilfreich. Die Daddy-Minute. Das erklärt so viel.
Es erklärt alles. Es erklärt die Wahrheit über Männer, die Wahrheit, dass sie sich nur um sich selbst scheren. Und du bist auch nicht anders. Ich dachte, du wärst vielleicht anders. Jedenfalls hatte ich das gehofft.
Das ist so ein selbstgerechter Schwachsinn. Du solltest dir diesen Scheißdreck mal selber anhören.
Ja, wunderbar. Immer her mit den Dreckswörtern. Immer Gewalt. So sind die Männer.
Leck mich.
Ja. Leck deine Mutter. Du liebst Beleidigungen. Aber ich lass mir das von dir nicht wegnehmen. Ich bin hier, um dir eine Geschichte zu erzählen.
Es war einmal.
Genau. Es war einmal. Denn es war ein Märchen. Ich glaubte daran, dass du gut sein könntest.
Galen war diese Unterhaltung derart zuwider.
Ich habe all meine Zeit mit dir verbracht. All meine Zeit, jahrelang. Ich habe dir jedes Wort beigebracht, das du kennst. Denk nur mal eine Sekunde darüber nach. Jedes einzelne Wort, das du kennst.
Galen versuchte, sich aufs Ausatmen zu konzentrieren, versuchte, sich zu beruhigen.
Ich habe dir jeden Laut beigebracht. Wie ein S klingt, wie ein Z klingt. Den Unterschied zwischen P und B.
Na, danke, sagte Galen. Wenn es das ist, was du brauchst, danke für den Unterricht.
Halt den Mund. Du musst zuhören. Heute hörst du mal nur zu.
Leck mich.
Du wirst heute zuhören, weil ich eine Entscheidung getroffen habe, von der du erfahren musst. Und ich will, dass du sie wirklich verstehst. Ich will, dass du weißt, warum ich sie getroffen habe.
Na, dann kommen wir doch mal zum Punkt. Was ist deine Entscheidung?
Nein. Erst musst du verstehen.
Leck mich.
Ja ja. Was immer du meinst. Aber halt den Mund und lass mich ausreden.
Schön. Leg los.
Wo war ich? Sie setzte ihre Teetasse ab, legte die Handflächen auf den Tisch und betrachtete ihre Hände. Gut. Ich habe zugesehen, wie sich jeder Ausdruck entwickelte. Wie du gelacht und das Lachen vergessen hast, wie du gelächelt hast, dein Lächeln sich verzerrte und veränderte, wie dein Temperament und dein Weinen in Wut umschlugen, wobei ich zugeben muss, dass ich deine Wut nicht ganz verstehe. Deine Wut ist mir fremd, für mich nicht vorhersehbar. Unter anderem wegen deiner Wut gehörst du nicht mehr zu mir.
Du schreibst dir also nur das Gute zu?
Nein. Ich will bloß alles nachvollziehen. Und da gibt es eine Lücke. Und wegen solcher Lücken bist du jemand, mit dem ich nicht mehr zusammenleben kann.
Ist das die Entscheidung?
Nein. Sie hat damit zu tun. Vielleicht ist es sogar die Entscheidung. Vielleicht ist das der tiefere Grund, dass ich dich einfach nicht mehr in meinem Leben haben will,aber es ist nicht die Entscheidung, die ich dir jetzt mitzuteilen habe.
Na
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