Drecksspiel: Thriller (German Edition)
los, dass sein Kollege ihm noch nicht alles gesagt hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte ihn dies vor weiteren Gräueln bewahren.
Theis sagte: »Alles deutet darauf hin, dass sie ebenfalls ausgeweidet werden sollte und ihr der Täter möglicherweise sogar das Baby in die leere Bauchhöhle legen wollte. Vor zwei Jahren gab es im Ruhrgebiet einen ähnlichen Fall.«
Toni schluckte. Seine trockene Kehle schmerzte. Er schloss die Augen.
»Aber diesmal konnte der Täter sein schreckliches Werk nicht vollenden«, fuhr sein Kollege fort. »Philip Nedel ist gerade noch rechtzeitig gekommen. Weshalb der Täter der Frau wohl nur das Messer ins Herz stoßen wollte. Er hat es allerdings verfehlt und stattdessen ihren Lungenflügel erwischte. Sieht schlimm aus, aber sie wird es überleben.«
»Und der Täter?«, murmelte Toni.
»Geflohen.« Die Ampel sprang auf Grün. Theis gab Gas. »Allerdings wissen wir jetzt, wer er ist. Sein Name ist Miguel Estevez Milan. Das ViCLAS hat uns auf seine Spur gebracht.«
ViCLAS war die Abkürzung für Violent Crime Linkage Analysis System und stand für ein Analysesystem zum Verknüpfen von Gewaltdelikten; in einer internationalen Datenbank wurden Tatort- und Opfermerkmale eingetragen, damit ein Zusammenhang zwischen Serienstraftaten effektiv und schnell hergestellt werden konnte.
Theis sagte: »Milan wurde vor dreiundvierzig Jahren in Bremen geboren. Er hat viele Jahre in der Lebensmittelbranche gearbeitet, ein unauffälliger Typ, abgesehen vielleicht von seinem Faible für die Grufti-Szene – schwarze Klamotten, lange Haare, bleiches Gesicht – und zwei Ehen mit jüngeren Frauen, die geschieden wurden. Aber das war natürlich kein Grund, ihn zu verdächtigen. Bis er einen Fehler beging und die dortige Polizei herausfand, was er tatsächlich während seiner Freizeit trieb: Entführungen, Erpressungen, Morde. Er ist untergetaucht, bevor die Kollegen ihn festnehmen konnten, und verdingt sich seitdem als Mann für alle Fälle, vor allem für die richtig dreckigen Fälle, skrupellos und brutal. Seine Spuren finden sich bei vielen Verbrechen, europaweit, aber erwischt hat man ihn bis heute nicht. Er ist ein Phantom. Keine Adresse, keine Hinweise auf seinen Verbleib.« Theis atmete schwer durch. »Wahrscheinlich ist er inzwischen schon wieder über alle Berge.«
Der Wagen stoppte. Toni öffnete die Augen. Sie standen an der Kreuzung zum Mehringdamm. Sein Kollege musterte ihn besorgt. »Du solltest zum Arzt.«
»Bring mich nach Hause.«
»Bist du sicher?«
Toni nickte. Er wollte nur noch schlafen.
Heute Morgen
David steht unter der Dusche und wäscht sich den Schweiß und den Schmutz der letzten Tage vom Körper. Sein Kopf wird frei und seine verkrampften Muskeln entspannen sich wieder. Er freut sich darauf, nachher Caro zu treffen und mit ihr zu reden. Er wird ihr die Wahrheit sagen. Und vielleicht wird danach alles besser.
Das Summen hört er mit Verspätung. Flieg, flieg, fahr aus der Haut.
Er dreht das Wasser ab, schlingt ein Handtuch um die Hüfte. Als er ins Wohnzimmer kommt, ist das iPhone verstummt. Der Anruf erfolgte mit unterdrückter Nummer.
David kennt niemanden, der ihn um diese frühe Uhrzeit anrufen würde, abgesehen von Richard. Aber dessen Name wäre angezeigt worden.
David tippt die Nummer seiner Frau, lauscht dem Freizeichen, während er sich frische Unterwäsche, eine Hose und ein T-Shirt anzieht. Er tritt zur Balkontür, öffnet sie, lässt die frische Morgenluft ins Zimmer.
Langsam kriecht die Sonne über die Dächer. Ein weiterer Sommertag bricht an. Am Maybachufer jenseits des Landwehrkanals schlägt der türkische Markt seine Zelte auf. Unter Davids Balkon bremst ein schwerer schwarzer Mercedes.
David tritt zurück in die Wohnung.
Drei Männer springen auf die Straße. Ehemalige Soldaten mit kantigem Schädel, kurzgeschorenen Haaren, muskelbepackt und fit.
David flucht. »Scheiße!«
»David«, hört er Caro sagen, »was soll das?«
Er muss weg hier. Sofort! »Hast du gerade angerufen?«
»Nein, wieso? Bleibt es bei unserem Treffen gleich?«
»Ja.« Er legt auf, steckt das Handy ein, zieht die Schuhe an, rennt ins Treppenhaus und ruft den Aufzug.
»Der Fahrstuhl«, bellt es unten in brüchigem Deutsch.
Eine andere Stimme brüllt: »Die Treppe!«
Sie sind bereits im Haus.
David spurtet die Stufen hoch bis unters Dach, bis zu der Tür, die seine Rettung bedeutet. Noch im Rennen will er den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche
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